Genealogische Notizen

Familienforschung kann spannend sein wie ein Kriminalroman. Wir möchten Euch teilhaben lassen an den aufregenden Geschichten, die wir in Kirchenbüchern und Archiven ausgraben. Taucht ein mit uns in vergangene Epochen und rätselhafte Verwicklungen, historische Lebensumstände und die Geschichte einer Region, die es heute so nicht mehr gibt: das frühere Ostpreußen.

Freitag, 31. Oktober 2008

Suchspiel im Kirchspiel: Löwenstein, Kreis Gerdauen

Löwenstein, ein erstes Mosaik

Alles wie im Nebel, eine undurchsichtige Suppe, die ich mir da zum Auslöffeln ausgesucht habe. Muss mich erst an die Schrift und die Struktur des Schreibers gewöhnen. 1618 wird die Geburt eines Sohnes von Jacob Matz in Kröligkeim aufgeschrieben. Na, sehr hilfreich ist die Reichhaltigkeit der Angaben nicht und in meinen Gedanken stelle ich die Bitte in die Vergangenheit, dass die, die gefunden werden wollen, sich jetzt gerne mal nach Vorne drängeln sollen, damit ich sie sehen kann. Na,- geht doch schon was besser: Elisabeth 1619, Jacob 1621 und Christian 1625 mit Vater Jacob lassen sich in Kröligkeim blicken. Dann eine Pause.

Erst 1636 taucht Michael, der Sohn des Hans Matz in Kröligkeim, Knecht und Domspielmann lese ich, auf. Vom selben Vater, jetzt Gaertner in Kröligkeim, finde ich 1638 Johann, 1642 Christoff, 1644 Martin.

Ab 1650 taucht der Name Martin Matz als Vater in Kröligkeim auf. Bis 1663 finde ich in 2 – 3 Jahresschritten 6 Kinder. 2 Töchter 1650/ 1652, dann Maria 1654, Christoff 1657, Jacob 1660, und Dorothea 1663.

1668 springt mir ein Hanß Matz aus Kröligkeim mit der Geburt seiner Tochter Barbara vor die Linse. Danach ist er weg.

Was mach ich hier eigentlich? Warum das Ganze?

Ab 1669 hat ein Martin Matz folgende Kinder: Catharina 1669, Elisabeth 1671, Barbara 1675, Regina 1678. Um 1693 wird des Löwensteiner Martin Matz Sohn Christian geboren. Die Mutter heißt Anna.

Zur weiteren Verwirrung bietet sich mir noch Christoff Matz in Kröligkeim mit seinen Kindern Anna 1675, Christoph 1677, Dorothea 1678.

Kein richtiger Faden ist zu finden. Der kommt erst später…


1714 freuen sich Martin Matz und seine Frau Maria Kanehn in Löwenstein über die Geburt ihres Sohnes Michael. Drei Jahre später lässt sich die Geburt von Bruder Christoff finden.

Ich stolpere über den Eintrag eines Kirchenbuchschreibers, der schon damals mein heutiges Leid über undeutlich unleserliche unstruktirierte Vermerke teilte:
Mein Gott, was vor Unordnung in so wichtigen Dingen, nun stehen die Ochsen am Berge – Gib doch mein Gott deinen Knechten in ihr Hertz, daß sie gute Ordnung lieben, u. so ihren Nachkömmlingen nicht Ärgernüß machen. Amen!

Das Suchspiel hat begonnen und ist schon vor 200 Jahren für manchen zur Mühsal gewesen. Mein Interesse gilt Michael, dem Gärtner und Eigenthümer in Löwenstein, der 1742 Catharina Strauss ehelicht. In den kommenden 12 Jahren kann ich fünf ihrer Kinder finden. Maria, Jacob, Catharina, Christoph und Anna. Christoph stirbt mit knapp 5 Jahren.

Auf weitere Hindernisse neben mancher Schrift stoße ich dadurch, dass es in Löwenstein zwei Michael Matz gibt, die nur durch die jeweiligen Ehefrauen zu unterscheiden sind. Der zweite ist mit Anna Neumann verheiratet und ich finde 1739 Sohn Christoph und 1741 Tochter Anna, die 1 ½ Jahre später stirbt. Die hochschwangere Catharina Strauss, verehelichte Matz, ist 1743 Taufpatin der kleinen Maria, deren Eltern Michael Matz und Anna Neumann sind. Genau eine Woche später bringt sie eine Tochter zur Welt, die sie, wie soll es anders sein, ebenfalls Maria nennt. Was mach ich da 245 Jahre später, wenn ich 1763 im Kirchenbuch den Hochzeitseintrag einer Maria Matz, deren Vater Michael aus Löwenstein ist, finde? Sie heiratet jedenfalls Jacob Wosegin von Romsdorff.

Möglicherweise ist sie dann das erste Kind des 1768 im Alter von 54 Jahren an Schwindsucht verstorbenen Gärtners und Eigenthühmers Michael Matz, das geheiratet hat. 1769 folgt eine weitere Matz-Hochzeit, diesmal von der 22jährigen Catharina mit Christoph Pahlke, dem 32jährigen Schmiedegesell, dessen Vater George Schmidt und Mitmeister des Schmiedegewerks zu Schippenbeil war. Anna nimmt sich mit 23 Jahren 1777 den 30hährigen Christoph Bundig, Musquetier und d. Major von Cemnitz Compagnie von Tumplingschen Regiments und d. Christoph Bundigs gewesenen Schmidts in Hohenfelde und Mitmeister des Schippenbeiler Schuhmachergewerks nachgelaßenen Sohn, zum Mann.

Jacob Matz ist bereits 29 Jahre alt, als er sich in Löwenstein 1774 mit der Stieftochter des Johann Quandt, Barbara Nitsch verheiraten muss, denn 3 Monate zuvor ist Sohn Michael unehelich zur Welt gekommen. Sie ist 6 Jahre jünger und für den Zimmergesell Jacob in Kröligkeim eine gute Partie, denn fortan kann er 6 Huben, 3 Morgen und 156 Ruthen in Kröligkeim sein Eigen nennen und bewirtschaften. Vermutlich haben ihre leiblichen Eltern, Wilhelm Nitsch und Catharina Borchert, ihr ein entsprechendes Erbe hinterlassen.

In Löwenstein hat sich von allen Dörfern des Kreises – daneben wäre etwa noch Bieberstein und Gr. Schönau zu nennen – am reinsten die ursprüngliche Anlage des ostdeutschen Angerdorfes erhalten: in der Mitte der Anger, begrenzt von zwei Straßen, an deren Außenseite die beiden Gehöftreihen hinziehen, während auf dem Anger Kirche, Krug, Schmiede, später noch die Schule liegen. Denken wir uns diesen noch heute rechteckigen Dorfplan mit einem festen Zaun umgeben, aus dem Tore ins Freie führen1 , so haben wir das typische Kolonistendorf des Ordenslandes vor uns. Dahinein paßt recht die stattliche Kirche, eine der besterhaltenen des Ordenslandes.

Die Handfeste von Kröligkeim (Krelekaim) stammt vom 29. Juni 1374. Die Brüder Klaus und Heinrich erhielten 5 ½ Hufen „um der Besetzung willen“ zum Schulzenamt. Von den 54 Hufen lagen nur 44 bei dem Dorfe, 10 Hufen waren „sonderlich gelegen im Krackentin bei der Leunenburger Grenze und bei der Heide“. Noch heute liegt der Kröligkeimer Wald südwestlich abseits im Kreise Rastenburg. In dem bekannten Walde Krakotin, der westlich Leunenburg Ordensland und Ermland voneinander schied, dürfte der kröligkeimer Dorfwald kaum zu suchen sein, obwohl der Gleichklang der Namen und die Bezeichnung „bei der Leunenburger Grenze“ diesen Schluß nahelegt. Doch ist dazu die Entfernung vom Dorfe zu groß. Durch spätere Verleihungen erlangte das Dorf einen Umfang von 60 Hufen.

(Altpreußische Forschungen, 6. Jahrgang 1929, Das Siedlungswerk des Deutschen Ordens im Lande Gerdauen, Von Martin Rousselle)

In den kommenden 12 Jahren ihrer Ehe werden 8 Kinder geboren. Der Überblick über diese Jahre fällt dramatisch aus, denn Michael, Catharina, Christoph, Dorothea, Anna Maria sterben jeweils im frühen Kindesalter, sei es an Pocken, Husten oder Epilepsie. Ein Sohn wird tot geboren. Barbara Nitsch stirbt im Alter von 36 Jahren im März 1787. Sohn Jacob stirbt im Alter von 27 Jahren 1814 an Auszehrung. Einzig Catharina Elisabeth übersteht die Zeit. Sie bringt 1804 die uneheliche Anna Maria zur Welt, die jedoch einen knappen Monat später an Husten verstirbt.

Im Alter von 42 Jahren heiratet Jacob Matz erneut. Seine Braut ist die 24 Jahre alte Elisabeth Briese. In den nun kommenden 21 Jahren werden weitere 11 Kinder in Kröligkeim geboren, einmal sogar Zwillinge. Charlotta stirbt im Kleinkindalter 1804 an Epilepsie.

Ich kann es erst nicht richtig glauben, aber so ist es. Jacob hat 19 Kinder gehabt.

Als Elisabeth Briese im Alter von 63 Jahren 1826 verstirbt, gibt es neben dem 81 jährigen Witwer noch Sohn Peter (38J.) in Kröligkeim, der als Ältester vermutlich den Hof weiter bewirtschaftet, Barbara (36 J.) hat mit ca. 21 Jahren den Hochzinser und späteren Schulz von Kröligkeim, Gottfried Müller gehreiratet, Ludwig (35 J.) ist Bäckermeister in Petersbu(e)rg, sein Bruder Gottfried (26 J.) dort Bäckergesell, Regina (33 J.) ist seit 7 Jahren mit Ludwig Reimer in Löwenstein verheiratet, Friedrich (21 J.) ist Zimmergesell in Barten und die anderen Geschwister Anna (31 J.), die Zwillinge David und Simon (28J.), sowie Carl (20J.) sind noch in Kröligkeim.

Anna heiratet 34jährig 1829 den Großbürger und Mälzenbräuer Friedrich Reichert in Schippenbeil.

Erstaunlicherweise taucht nirgends ein Peter Matz im Kirchenbuch auf. Was ist mit ihm? Ebenso fehlt eine Spur von Simon und auch Carl. Eine ganz andere Frage ist, wo Ludwig und Gottfried verblieben sind als Bäckermeister und –gesell. Petersburg lässt sich nicht finden, Petersberg gibt es in den Kreisen Angerburg und Sensburg. Wo sind sie wirklich gelandet?

Jacob Matz stirbt 1827 im Alter von 82 Jahren in Kröligkeim.

Derjenige, der den Besitz in Kröligkeim weiter führt, scheint Zwilling David zu sein. Er heiratet, gleich alt wie sein Vater, mit 29 Jahren in Löwenstein nach dem Tod seiner Eltern 1827 Maria Elisabeth Wulf im Alter von 24 Jahren.

Die Kirche Löwenstein ist ein rechteckiger Backsteinbau aus dem 14. Jahrhundert mit vorgelegtem Westturm (1800 erneuert) und schön gegliedertem Ostgiebel. Der Innenraum hat eine bemalte Holzdecke (2.Hälfte 18. Jahrhundert). Reste der Wandmalereien aus dem 15. Jahrhundert konnten bei Renovierungsarbeiten 1932 freigelegt werden. Die Kirche besitzt eine reiche Ausstattung. Der Flügelaltar auf der gotischen Backsteinmensa entstand in seinen ältesten Teilen im 15. Jahrhundert; im Schrein Maria zwischen Petrus und Paulus, auf den bemalten Flügeln Darstellungen aus dem Leben Jesu. Erst 1694 wurde der Altar zur letzten Form zusammengesetzt. Die Kanzel von 1608/09 aus der Werkstatt des Meisters B. M. ist eine barocke Schnitzarbeit. Aus dem 16. Und 17. Jahrhundert stammen der Beichtstuhl, Gestühl und Emporen. Ein künstlerisch bedeutsames Ausstattungsstück ist der Taufengel vom Ende des 17. Jahrhunderts. Die Orgel wurde 1773/75 von Preuß – Königsberg erbaut. Die Kirche hat vier Glocken. (Geschichte der Evangelischen Kirche Ostpreussens II , Walther Hubatsch 1968)

In den kommenden 11 Jahren ihrer Ehe werden Carolina, Carl, David, Gottfried und Catharina Elisabeth geboren. Gottfried überlebt ein „hitziges Fieber“ nicht und verstirbt im Alter von 2 Jahren. Maria Elisabeth Wolff verstirbt 1838 an Krämpfen im Alter von 34 Jahren.

David ist bereits 41 Jahre als er 10 Monate nach dem Begräbnis seiner ersten Frau 1839 die Jungfrau Regina Koesling heiratet. Sie ist 26 Jahre alt. Friedrich August, Ludwig, Wilhelmine Auguste und Anna Regina werden im Laufe der nächsten sechs Jahre geboren. Die Geburt seiner letzten Tochter hat er noch miterlebt, bevor er im Altern von 47 Jahren verstirbt.

Regina Koesling heiratet 1846 den 46jährigen Carl Ferdinand Schemmerling aus Rockeln im Kirchspiel Schoenbruch. In Löwenstein werden fünf weitere Halbgeschwister zu den bisherigen Matz ´ens geboren, nur diesmal mit Nachnamen Schemmerling: Ferdinand Bernhard, Anna Maria Amalia, Gottfried Gustav, Friedrich Wilhelm und Anna Catharina Maria Elisabeth. Zwischen Anna Catharina Maria Elisabeth Schemmerling und ihrem Halbbruder Friedrich August Matz liegen 20 Jahre. Zwischen Friedrich August Matz und seiner Halbschwester Carolina Matz beträgt der Abstand in die Vergangenheit 11 Jahre.

Was für ein Sortierspiel! Was ist in der Zwischenzeit aus dem Besitz des Jacob Matz geworden? Welches der letztgenannten Kinder führt einen Hof in Kröligkeim weiter?

Carolina Matz, die Älteste aus der Reihe, heiratet 1852 im Alter von 24 Jahren Ludwig Müller. Er ist bereits 32 Jahre alt, Besitzer des Abbau Schippenbeil und entstammt ebenso einer weit verzweigten Kröligkeimer Familie, was wieder eine ganz andere Geschichte sein wird. Eine ihrer Töchter verheiratet sich 1888 in Schippenbeil mit Wilhelm August Haupt.

Im Löwensteiner Kirchenbuch lässt sich aus der Geschwister- bzw. Halbgeschwisterreihe der Matzens noch Ludwig Matz ausmachen, der im Alter von 33 Jahren 1874 Regine Behrendt (28 Jahre) heiratet.

Martin Haupt – Scharfenstein

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