Genealogische Notizen

Familienforschung kann spannend sein wie ein Kriminalroman. Wir möchten Euch teilhaben lassen an den aufregenden Geschichten, die wir in Kirchenbüchern und Archiven ausgraben. Taucht ein mit uns in vergangene Epochen und rätselhafte Verwicklungen, historische Lebensumstände und die Geschichte einer Region, die es heute so nicht mehr gibt: das frühere Ostpreußen.

Montag, 27. Oktober 2008

Streitigkeiten in der Stadt Schippenbeil 1691

Hier geht es um die Stadt Schippenbeil. Sie lag etwa 70 km südöstlich von Königsberg im Kreis Bartenstein. Heute befindet sie sich im nördlichen Polen keine 10 km von der Grenze zum Kaliningradskaja Oblast entfernt mit dem Namen Se,popol (das Häkchen unter dem "e" bedeutet, daß man das "e" nasal spricht: etwa wie Sempopol, die Betonung liegt auf dem ersten "o").


In dieser Stadt lebten nachweislich seit 1662 bis 1923 kontinuierlich viele Generationen meiner Vorfahren und wirkten oft in der Selbstverwaltung dieses Gemeinwesens mit. Die Stadt hatte, je nach den zeitgeschichtlichen Umständen, etwa um die 2.000 bis 3000 Einwohner. Nach heutigen Begriffen also höchstens ein Städtchen. Aber zu früheren Zeiten hatte dieses kleine Gemeinwesen durchaus ein Gewicht, denn die anderen ostpreußischen Landstädtchen waren kaum viel größer. Die Stadt besaß einiges an Grundbesitz und trat gegenüber den darauf sitzenden abhängigen Bauern wie ein adeliger Gutsbesitzer auf. Die Stadtbürger genossen eine Reihe von Vorrechten, waren vor allem frei und niemandes Untertan als denn des obersten Landesherrn. Die Stadt hatte das Recht auf eine relativ eigenständige Selbstverwaltung: Bürgermeister, Räte, Richter, Stadtschreiber, Stadtmusikus, die Älterleute (Vorsitzende) der Zünfte (die verschiedenen Berufe des Handwerks) wurden selbständig aus den wahlberechtigten Bürgern gewählt. Der oberste Landesherr bestätigte (confirmierte) nur die Wahl. Die Stadt hatte das Recht auf eine Reihe von Einnahmen, die teils direkt in der eigenen Kasse verblieben zur Bestreitung der dortigen Ausgaben (Salär der Stadtbediensteten, Unterhalt von Gebäuden, Straßen und Brücken, Wehranlagen, Hospital und Armenhaus) oder zu einem gewissen Teil nur in Vollmacht des Landesherrn eingenommen und an diesen weitergeleitet wurden. Darüber mußten die Ratsherren (früher hießen sie Rathsverwandte) und der Cämmerer regelmäßig Rechnung legen. Darüber hinaus hatten die Funtionsträger und gewisse Bürger in der Stadt eine Reihe von differenziert abgestuften Sonderrechten: freies Brennholz aus dem Stadtwald angeliefert von den untertänigen Bauern von Langendorf, freies Bauholz zum Ausbessern von Gebäuden, Braurechte, Nutzung von stadteigenem Land vor der Stadt zur eigenen Bewirtschaftung und Viehhaltung, Fischrechte, Weiderechte im Stadtwald und ähnliches mehr.

Im Staatsarchiv fand ich eine Akte, in der von heftigen Streitigkeiten über Mißbräuche hinsichtlich der Freiheiten und Vorrechte aus dem Jahr 1691 berichtet wird. Die darin enthaltenen ausführlichen Schilderungen gewähren faszinierende Einblicke in die Sozialstruktur einer kleinen Stadt vor über 300 Jahren. Aber lest selbst:

Actum Schippenbeil den 30ten April Anno 1691Nachdem die Strittigkeiten zwischen BürgerMeister und Raht an einem, dann dem Richter, Gericht und ganzen Bürgerschaft der churfürstl. Stadt Schippenbeil am anderen Theill, dergestalt zugenommen, dass wenn nicht bey Zeiten gesuchet würde, solche in der Güte oder durch billigmäßige Vorschläge zu heben, nothwendiglich des guten Städtchens Untergang hätte erfolgen müssen; als habe ich der Nothwendigkeit erachtet, ehe undt bevor die verordnete Commission ihren Fortgang nehme, umb ehe es möglich ist, der Stadt große depensen und Unkosten zu erspahren, mich selbsten nach Schippenbeil zu verfügen, die Gravamina des Richters, Gerichts und der Gemeine durchzusehen, Bürgermeister und Raht darüber zu hören, dieselbe entweder in der Güte auseinander zu bringen, oder aber die rationes pro et contra aufzusetzen, mein unmaßgeblicher Bedenken über jeden Punct zu geben, und der gnädigsten Herrschaft ad decidendum zuzuschicken.

Zu dem Ende dann der 30te Aprill, 1ste/2te und 3te May pro Termino angesetzet, so ist es durch Schickung des höchsten Gottes nicht fruchtlos abgangen, sintemahl sich die strittigen Partheyen über alle und jede Puncta wissentlich und wollbedächtig folgender Gestalt verglichen, die darüber gegebene decisiones einmüthig angenommen, und stehet ihnen allemahl frey der gnädigsten Landesherrschaft ad ratificandum folgendes zu übergeben.

Gravamina (Beschwerde) einer ehrbaren Bürgerschaft der Stadt Schippenbeil1. Bittet Eine Ehrbare Bürgerschaft, dass sie wie die benachbahrte Stadt Bartenstein und andrer Städte alle zwey Jahr Chur und Wahl, auch alle Jahr Rechnung haben und halten mögen.
Einhelliger Vergleich und angenommene Decission (Entscheidung) über nebenstehende Gravamina
Ad 1. Obzwar Bürgermeister und Rath verneinen, dass es immer bräuchlich gewesen alle Fiskey Jahr Chur und Wahl zu halten solches auch große Unkosten und Spesen der Stadt verursachen möchte, angemercket unter Einhundert Rthr. solches nicht verrichtet werden könne. Sodenn auch nicht leicht immer zum bürgermeisterlichen Ambt sich würde erwehlen lassen, wann er nicht versichert werde, daß er es Zeit seines Lebens verbleiben und ohne sonderliche erhebliche Ursach nicht degradiret werden könnte, so falls doch Richter, Gericht und Gemein(d)e nicht darvon abstehen wollen, vorgebens, daß sich ein Bürgermeister gar oft ihrer Gewalt müßbrauchten, Ihre untergebene Bürger nicht ein Stadtvätern gehöret, mit Sanftmuht regierten, sondern Sie geringschätzig hielten, in denen geringsten Dingen, so fast nicht der Rede wehrt sein, mit harten Straffen zu ihrem eigenen Nutzen belegten, welches Sie nicht thun würden, wann Sie alle Zwey Jahr Ihr Ambt niederlegen, undt der Approbation der Bürgerschaft gewärtig sein müßen. Sie wollten wönig oder gar keine Unkosten daran wenden, sondern dieselbe gern zu Außzahlung der Stadtschulden anwenden. Es solte sich auch Ein Ehrlicher Untadelhafter BürgerMeister nichtes böses zu besorgen, daß so er die Bürgerschaft liebet und woll regiert, Sie denselben gern und willig beybehalten werden, undt wann auch waß wiedriges von der Bürgerschaft zu besorgen were, so sey doch der Herr HaubtMann zugegen, welcher nicht zugeben würde, daß ein ehrlicher gewißenhaffter Mann wieder sein verschulden degradirt werde: Nachdem dieses nicht hatt können beygeleget werden; deß bleibet dem Richter, Gericht undt Gemeine frey dieses beyder Hohen Herrschaft, alß bey welcher es eintzig undt allein stehet, solche Privilegia zu ertheilen, in Unterthänigkeit zu suchen,undt dero gnädigste Verabscheidung zu erwarten. Die StadtRechnungen aber sollen alhier allemahl den Montag nach Trinitatis von denen StadtCämmerern undt CastenVorstehern, dem BürgerMeister, Raht, Richter undt Gericht undt der sämtlichen Bürgerschaft oder denen so darzu unanimi consensu deputirt sein, abgeleget werden, undt so solches negligirt würde, soll der SchöppMeister sub poena remotionis ab oficio sich deßwegen beym Herrn HauptMann angeben undt solchergestaldt die StadtCämmerer und CastenVorstehern, alß von denen in solchem fall vermuhtet wirdt, daß Sie Übell Hauß hielten, darzu compelliren.

2. Daß Herr BürgerMeister undt ein ehrbahrer Raht hinführo ohn bewust eines Ehrbahrn Gerichts undt der Gemeine von StadtGründen undt andern StadtMitteln undt Intraden nichts verkauffen, verpfänden, verschencken noch sonst in andern Wege veräußern möge. Ad 2. Dieses hatt sich BürgerMeister undt Raht gern undt willig begeben, weilen schon solches den 10. Feb: undt 28ten Septr: 1689 vom Herrn HaubtMann undt der Commision verordnet gewesen, ist also alles daß jenige, waß von StadtGründen, StadtMitlen undt Intraden ohne der Bürgerschaft bewust künftig verkauffet, verpfändet, verschencket oder sonst veräußert worden, ipso jure nullum.

3. Daß die Wiesen auff dem Stadtfelde, welche ein ehrbahrer Raht so lange ohne entgeldt genossen, jetzo wie vor dehm geschehen, 20 R. Pacht tragen möge, dazu ein jeder Stadtverwandter sein Quot geben soll. Ad 3. Den dritten Punct gehet BürgerMeister undt Raht gern undt williglichen undt bedancken sich gegen Richter, Gericht und Gemeine, daß Sie in consideration Ihrer schwer gehabten Arbeit daß bißhero genossene nicht von Ihnen erfordern.

4. Daß die ArbeitsLeuthe so vom Langendorff alß in der Stadt dem Hrn. BürgerMeister, imgleichen denen StadtCämmerern keine ScharwercksTage bezahlen oder abarbeiten dörffen, können eher unvorgreifflich 20 grs. Jährlich mehr Miehte geben. Ad 4. Wie die ArbeitsLeuthe so woll von Langendorff alß der Stadt nicht den BürgerMeister und StadtCämmerer gehören, sondern der gantzen Stadt, also können Sie keine ScharwerksTage, viell weniger bezahlung an Geldt davor erfordern, vermeinen zwar daß Ihre Vorfahren es gehabt, begeben sich deßen aber hinführo, undt wollen Ihnen die Miethe dem Publico zu gutt, zuerhöhern sich bemühen.

5. Daß die Pauern auffm Langendorff undt die ArbeitsLeuthe bey der Stadt nicht allein vom Herren BürgerMeister sondern auch vom jeden Bürger in der Stadt Bier zu kauffen undt zu nehmen Freyheit haben mögen. Ad 5. Waß die Pauern auffm Langendorff betrifft, bleibt es bey der Commissorialischen Verabscheidung vom 10. Febr: undt 28t Septr: 1689 und des Herren Haubtmanns Ausspruch, so aber nur, waß auffm Langendorff außgetruncken wird, zu verstehen ist. In der Stadt stehet jedem wie andern frey ihr Bier zu trincken auff waß ahrt sie wollen. Die ArbeitsLeuthe bey der Stadt sind nicht schuldig vom BürgerMeister hinführo, sondern von welchen Bürgern Sie wollen Ihr Bier zu kauffen.

6. Daß des Herren Krebßes Brachstube(?), welche die Intraden der Stadt brach Stuben benimbt, weill Sie nahe anstehet, möge dem Publico zu gutt gegen Entgeldt zur Stadt gebracht, im gleichen der außgebauete Zaun beym Hoffe hinwieder eingezogen werden. Ad 6. Herr Krebß erklähret sich den außgebaueten Zaun beym Hoff wieder einzuziehen, wegen der BrachStube will Er sich mit dem Publico vergleichen: Doch daß gleich wie Ihm also auch keinem gestattet werde, Brachstuben zu halten.

7. Daß der Kasten eingeführet und zu administrirung deßen einer außm Raht, einer außm Gericht und zwey auß der Gemeine deputiret werden, weche alle Einkünffte dieser Stadt, auch die administrirung des Langendorff, so der gantzen Stadt zugehörig, haben sollen. Ad 7. Daß der Kasten wieder eingeführet werde, erachtet E. Erb: Raht selbst nöhtig. Giebet auch nach daß einer außm Raht, einer außm Gericht undt zwey auß der Gemeine, doch gratis darbey sitzen, und die administration deßen, so der gantzen Stadt gehörig, einnehmen mögen. Doch ist darbey bedungen worden, daß bey Einnahm der Langendorffschen Zinßer ein gantzer Ehrbahrer Raht zugegen seyn möge. Die von denen so genameten Kastenherren eingenommene Gelder empfänget der StadtCämmerer gegen Quitantz, so viell Er derer zu der Stadt Nutzen und Cämmerey besten von nöhten hat, undt berechnet dieselbe zu gehöriger Zeit. (Das Dorf Langendorf gehörte der Stadt. Die dort lebenden Bauern zahlten "Zinßen" = Abgaben für die Nutzungsrechte an die Stadt. Offenbar hat es bei der Vereinnahmung jener Abgaben Unregelmäßigkeiten gegeben, wenn die Räte oder der Bürgermeister direkt abkassierten...)

8. Daß hinführo die StadtCämmerer bey antretung ihres Ambtes über Einnahme undt Außgab einen sonderlichen Eydt leisten. Ad 8. Wie dann auch beliebet worden, daß die künfftigen Stadtcämmerer und Kastenherren über Einnahme und Außgabe einen sonderlichen Eydt leisten sollen.

9. Daß das Salarium der Herren BürgerMeister, bestehend im Stadtbruch undt 90 mk., auß der Cämmerey fallen möge, weille die wänigste, undt die selbe auch nicht, wie es geschehen soll, in daßelbe gewilliget haben, zu dem die Cämmerey so erschöpfet, daß die Stadt- undt Schulbediehnten nicht außgezahlet, weniger die Mauren und Brunnen, so der Stadt ein dieser gekostet, im baulichen Wesen erhalten können. Ad 9. Der Herr BürgerMeister hat, weill sein Vorfahr einige Befreyung genossen, sich deßen auch angemaßet undt bey der gehaltenen Chur von Anno1689 durch die Bürgerschaft auff ein gewißes setzen laßen. Nachdem Er aberjetzt vernimbt, daß dieselbe zu der Zeit nicht einmühtig darin consentiret, sondern durch das damahlige Herabgehen vom Rahthauße nicht consentiren wollen, zu dehm Ihnen auch bewusst, daß die Stadt Schulden zu bezahlen hat, undt zu reparirung der Mauren ein Ehrliches erfordert wird, alß begiebtet Er sich so woll der Neuntzig Mark, so auß der StadtCämmerey Ihn biß dato gereicht worden, alß des Stadtbruches und will noch wie vor treulich und unverdrosen dienen und sein Ambt führen.

10. Daß denen Bürgerkindern, wenn Sie Bürger werden, im Pfannengeldt möge gefüget werden, daß Sie etwann nur drey Rthlr: geben dörffen. Ad 10. Wie die BürgerKinder in allen Stücken bey denen Städten einen Vorzug haben, so ist beliebet worden, daß bey erlangung des BürgerRechts vier Rthlr: von denen BürgerKindern , undt Sechß Rthlr: von denen frembden, zu unterhaltung der Pfanne gegeben und entrichtet werde. (Mit Pfanne ist die städtische Braupfanne zum Bierbrauen gemeint).


11. Daß das Geldt vor Loßkauff der BürgerBeschwerden möge zur Rechnung gebracht werden, weilln die andere Bürger dafür ihre Pflichte thun müssen. Ad 11. Daß Geldt vor LoßKauff der BürgerBeschwerde soll künftig dem Publico zum besten zur Rechnung gebracht werden.

12. Daß die von denen StadtStücken ohne bewußt der Bürgerschaft gegossenen RahtsCrohne der Bürgerschafft bezahlet werden, weilln daß Gericht undt alle Gewercke auß ihren eigenen Mitteln ihnen haben Crohnen anschaffen müssen. Ad 12. Es hette dem BürgeMeister undt Raht gebühren wollen, ohne Vorwissen der Gemeine die stadtStücke nicht zu veralieniren, undt darauß so woll die Spritzen alß die Crohne (gemeint ist ein Kronleuchter) in der Kirche übern RahtsStuhl verfertigen zu laßen; weilln nun dergleichen Dingen ins künfftige schon beym 2den punct vorgebauet, undt wann jemandt Liberal sein will, vom Seinigen , nicht waß dem publico gehöret, es thun muß; Alß wollen Richter, Gericht undt die gantze Gemeine es auß Liebe zu der Kirchen, woran die Crohne hengt, undt auß affection zu dem gemeinen besten, dem die Sprütze zu Nutz angeschaffet sein, es genehm halten.

13. Daß die Gewercke ihre freyheit wie vor dehm haben mögen, zum SchöppMeister zugehen, wenn Sie in StadtsSachen waß deliberiren wollen, undt nicht alle Zeit bey Einem Ehrbahren Raht umb Consen bitten dürffen. Ad 13. Die Commission vom 28sten Septembr: 1689 undt des Herren HaubtManns Verabscheidung vom 2. Aug: 1688 wollen zwar haben, daß wann die gantzen Gewercke zusammen kommen wollen, Sie zuvor BürgerMeister undt Raht deßwegen ersuchen sollen, welcher den solches durch die Diener ansagen läßet, dieses aber ist gar nicht zuverstehen, wann der SchöppMeister nöhtig findet, mit einigen ältesten, zu der Stadt bestes zu überlegen und E.Erb: Raht vorzutragen, in solchen Fällen bleibt es bey der Uralten gewohnheit, alß welche durch die Commission undtdes Herren HaubtManns AußSpruch nicht gehoben ist.

14. Wirdt gebehten daß Herr BürgerMeister die Zinßer von Langendorff wie auch andere bahre Gefälle nicht so fort wenn sie einkommen, an sich nehmen, sondern dem Kasten, undt hernach gegen Quitantz denen StadtCämmerern laßen solle, damit so woll auff daß Nohtleidende Publico etwaß gewendet, alß auch die jenigen so zu fordern haben, contentirt werden mögen. Ad 14. Nachdem Laut dem 7den Punct der Kasten eingeführet, hat kein Privatus macht propria authoritate waß an sich zunehmen, undt sich bezahlet zu machen, sondern muß es von denen so darzu geordenet sindt, erwarten.

15. Daß Herr BürgerMeister Einem Ehrbaren Raht niemahlen mehr vorschreiben, wie derselbe in seiner Sache mehr sprechen sollen. Ad 15. Hierbey entschuldiget sich der BürgerMeister, daß Er seines Wissens in seiner Sache wie ein Raht sprechen solle, niemahls vorgeschrieben, daß Gegentheil antwortet, daß er woll beweisen könnte, will es aber fahren laßen; hierauff ist verordenet worden, daß ein jeder seinem Eyde undt Gewissen gemeeß sprechen soll, undt wann entweder der BürgerMeister oder ein RahtsHerr in der Sache interessirt ist, soll Er keine Wissenschafft von dem jenigen, waß im Collegio passirt, haben.

16. Daß alle Sessiones, so woll vom Raht alß Gericht uffm Rahthauße, außer denen so keinen Verzug leiden, gehalten werden. Ad 16. Auch sollen künfftig alle Sessiones, so woll vom Raht, alß Gericht ordinarie auffm Rahthauß, undt nicht ins BürgerMeisters oder Richters Hauß gehalten werden.

17. Daß der Herr BürgerMeister daß stück ?es bereitz geschnittene Holtz, die dreyzehen Zu erbauung seines Speichers geliehene Latten, die auff sein Hauß, nach des Herrn Eberten Seit hingelegte Eychene Rinne, die von Langendorff genommene und zu erbauung der Buhde hinter dem Hospitahl angewendete 16 Schwarten und die unter sein Mältzhauß gebrachte zwey Eychene Schwellen der Stadt gutt thun. 18. Daß Herr BürgerMeister den auß Rehefeldts Waldt geholeten fichtenen Rahmen, wovon Er Bohlen schneiden laßen, undt Herr Jacob Czerniewsky StadtCämmerer die Rahmen, welche Er aus selbigem StadtWaldt dem Herrn Duglaß zukommen, undt dieser weghohlen laßen, bezahlen. 19. Daß Herr BürgerMeister befraget werde, warumb mit Zuziehung eines Erbahren Rahts Er diesen unzuläßigen Handel des Herrn Czerniewsky undt Duglaßen nicht bestraffet, da ihn doch Laut einer eigenen Zuständigkeit solche That baldt Kundt worden.
Ad 17. 18. et 19. Der Herr BürgerMeister negiret es genommen zu haben, will alles waß dargethan werden kann, bezahlen. Herr Czerniewsky will den Duglaß zur Zahlung anhalten, der BürgerMeister habe dieses factum Ihnen gar hart verwiesen. (Herr Duglaß war ein aus Schottland eingewanderter Kaufmann, der seine katholische Heimat aus Glaubensgründen verlassen hatte).


20. Daß die 25 Rhtl. also genandte Waldthaaber den die Pauren von Langendorff wegen ihrer Vieheweyde im Stadtwalde Gilgenau geben müßen, nicht Hrn. BürgerMeister vor sich behalten, sondern wie es zu des vorigen BürgerMeisters Seel. Engelcken Zeiten geschehen, denselben vorrechnen, auch von diesem Jahr zur Einnahme in die Rechnung kommen mögen. 21. Daß die von Langendorff gefällige Zinnßhüner, der alle Jahr zwey von der Hube gegeben worden, wie von Altersher, der Stadt zum behuff, wenn eine Außrichtung geschiehet, angewandet, undt nicht dem BürgerMeister gereichet werden. (Zinnßhüner sind Hühner als Naturalleistungen der Stadtbauern).Ad 20. et 21. Daß die 25 Rhtl. Waldthaaber wie zu des BürgerMeisters Engelcke und der Vorfahren Zeiten geschehen, dem Publico künfftig zu Nutz kommen, undt also verrechnet werden sollen, imgleichen daß die von Langendorff gefällige Zinnßhüner der Stadt zum behuff, wann eine Außrichtung geschiehet, angewandet werden sollen, ist Einmühtig beschloßen worden, undt hat der BürgerMeister selbiges zu berechnen. (Also, wenn der Bürgermeister die Zinshühner selber ißt, muß er dafür in die Stadtkasse zahlen!).

22. Daß Herr BürgerMeister nicht mehr die Acht Achtel Holtz auß dem StadtWaldt schlagen, sondern ein gewißes Baumholtz, gleich dem Herrn Richter und anderen Rahtsverwandten hohlen laßen, auch jedem Bürger, deßen Kindt in die StadtSchule gehet, vergönnet sein soll, auß dem Stadtwaldt zu WintersZeit Ein Fuder Laut Zettel hohlen, undt nach der Schule führen zu laßen. Ad 22. Weilln mit dem Holtz die Zeit über so nicht verfahren worden, wie es woll die Wönigkeit deßen, so sie vorhanden, erfordert, so ist beliebet worden, mit aller Bewilligung, daß hinführo die jenigen so Holtz zu hohlen haben, in einer Zeit solches verrichten, und sich setzen lassen sollen. Undt zwar soll künfftig gefolget werden: Sieben Achtel dem BürgerMeister. Fünf Achtel dem Richter. Sechß Achtel Laut Vocat: dem StadtSchreiber. Vier Achtel jedem Rahtsherrn. Mit demselben sollen Sie sich vergnügen, undt da Sie über daß nehmen sollten, zu gehöriger Straffe gezogen werden. Nachdehm es sich auch offters begeben, daß im Winter auß mangel des Holtzes, die Schuhlbediehnten Ihr Ambt nicht thun können, sondern die Jugend müßig nach Hauße müßen gehen lassen. Dieser Verordnung undt schädliches defordre künfftig vorzukommen, ist vor rahtsahm befunden, daß über daß jenige waß ein jeder so sein Kindt zur Schulen helt, ordentlich anführet, jährlich vier Achtel ex Publico, so die Langendörffer jeder Wihrt mit einem Fuder anzuführen hatt, auch solches zuthun versprechen, anführen zu laßen, damit die Werckstädten des Heyl: Geistes immer ja mehr und mehr fortgepflantzet werden können. Sollte aber der Waldt künfftig sehr minimiret seyn, undt vor nöhtig erachtet werden, daß Deputatholtz entweder zu mindern oder gar zu suspendiren, verspricht BürgerMeister, Richter Rahtsverwandten und Stadtschreiber sich dem Publico gern und willig zu accommodiren.

23. Daß denen Deputirten Eines Erbahren Rahts undt dem Herrn StadtSchreiber bey denen Schicht- und Theilungen (=Erbschaftsregelungen), aller hiesieger Bürger undt Einwohner ein gewißes und erträgliches für ihre Mühewaltung, auch dem Herrn BürgerMeister undt Herrn StadtSchreiber á part nicht so woll für die Einschreibung des Inventarii ins PupillenBuch zu nehmen verordnet werde, damit sie nicht die Schichtgebern, Unmündige oder andere Erben für ungebühr übersetzen. Ad 23. Arme undt Nohtleidende Pupillen müßen durchauß nicht mit denen Sportulen bey der Theilung übersetzet werden, ist also beschloßen worden, daß künfftig bey Armen undt geringen Theilungen der StadtSchreiber sich allein einfinden, dieselben verrichten, undt vor seine Mühe Einen Rthlr: worunter auch das Inventarii begrieffen, haben soll, wo große und wollhabende Theilungen vorhanden, können dem gebrauch nach, Zwey Deputirte auß E.Erb: Raht, nebenst dem StadtSchreiber denen selben beywohnen, doch daß die Deputirte vor die gantze Theilung jeder nur mit einem Rthlr: sich behelffe, der StadtSchreiber bekombt alsdann Laut Landtrecht Täglich einen Rthlr: undt pro extraditione Inventarii vor jedes Exemplar einen Güld: undt solcher gestalt hofft man, daß denen bißherigen großen Unordnungen, da unter weilen die Depensen bey der Theilung weit höher kommen, alß die Erben behalten haben, werde vorgekommen sein. Daß vom Seel. BürgerMeister Wilden eingeführte Pupillen Buch ist so woll denen Vormündern alß Unmündigen höchstdienlich, undt dannenhero beyzubehalten, undt weill solches seine Successores in officio continuiren, kann Ihnen auch die Ergetzligkeit alß pro prima inscriptione et revisione Ein Rthlr: dann, wann ferner ein Rechnung abgenommen wirdt, ein Güld: nicht versaget werden, bey denen Armen aber müßen Sie nicht auff Geldt sehen, sondern auff die Belohnung, so sie vom höchsten Gott zuerwarten haben.

24. Daß Niemand außer den beyden StadtThoren Getreyde oder andere zugeführete und feylgesetzte Wahren, bey einer ansehnlichen gewißen GeldtStraff für sich oder einem andern zu gutt kauffe, ohne nur im Jahrmarckt, da einige Frembde mit ihrer Wahre in der Vorstadt verbleiben. Ad 24. Daß ein Mitbürger vor die Thore und auff die Straßen lauffe, allda denen anderen zum praejuditz alles Getreyde wegkauffe, undt also verursache, daß nichtes zu Marck kombt, ist von allen vor Unbilligkeit erkandt, dannenhero beschloßen worden, daß sich künfftig keiner solches unterstehen, sondern wann es auffm Marckt feyl stehet, zu seinem behuff alsßdann erhanden möge. Die Jahrmarckte, da einige Frembde mit Ihren Waaren in der Vorstadt bleiben, sindt hierunter nicht zurechnen.

25. Daß Herr BürgerMeister undt E:Erw: Raht nicht zugebe, sondern viellmehr ernstlich undt bey großer Straffe verbiehte, daß weder in der Stadt noch auffm Langendorff daß also genandte Gillbier am ersten Heyl. Tage der Weynachten , Ostern undt Pfingsten getruncken werde. Ad 25. Wieder Gottes Wort und der Hohen Herrschafft Verordnungen läufft, daß im ersten Heyl: Tage der Weynachten, Ostern undt Pfingsten daß Gillbier getruncken wirdt, solches ist von Nun an gäntzlich einzustellen, undt Ein ander Tag darzu zu setzen. Es hatte dem BürgerMeister undt Raht gebühren wollen, solches vorlängst abzuschaffen, nachdem es aber nicht geschehen, ist Ihnen die gehörige Weisung undt reprimande nicht allein gegeben, sondern bey hoher Fiscälischer Straffe so Sie auß ihren eigenen Mitteln erlegen sollen, anbefohlen worden, künfftig solche anstaldt zu machen, daß es nimmermehr geschehen möge.

26. Daß der in den StadtWäldern undt auffm Langendorff gebrochene Honig verkauffet, undt daß Geldt dem Kasten gegeben werde, die StadtCämmer aber für ihre Mühewaltung undt Obsicht beym Honigbrechen ein gewißes zur Ergetzligkeit haben mögen. 27. Daß die WaldtStraffen zur Rechnung des Kastens gebracht werden, weil Altershero in den Rechnungen solche zu finden.
Ad 26. undt 27. Der Honig so in StadtWäldern undt auffm Langendorff gebrochen wird, soll Künfftig verkauffet und daß Geldt dem Kasten eingebracht werden. Denen StadtCemmerern werden Zwey Gülden wie vor Alters allda zu verzehren passiret. Des gleichen ist von allen theilen vor nothig befunden worden, daß ein WaldtStraffen Zur rechnung des Kastens mögen gebracht werden. (Waldstrafe ist eine Strafe für unberechtigtes Holzschlagen im Stadtwald, also Holzdiebstahl).


28. Daß Herr StadtSchreiber bey Tag nehmen, wenn Zwey oder Drey Bürger zusammen brauen, von jedem einen DreyPölcher Schreibgeldt nicht nehmen möge, weil selbem Alters hero nur ein DreyPölcher vom gantzen gebräu zukombt. Ad 28. Dem StadtSchreiber gehöret nur vom gantzen Gebräusel Ein DreyPölcher(?)Schreibgeldt, es brauen zusammen so viell Ihrer wollen.

29. Wegen der Gastereyen undt Schmäusen von StadtMitlen, wirdt gebohten, daß selbe weiterhin nicht also gestattet werden möchten, auch zu haltung der Avisen Jährlich 12 mk. Auß eigenen Mitlen mögen gezahlet werden. Ad 29. Die Außrichtungen undt Schmäuse so biß dato geschehen, haben der Stadt ein vieles gekostet, müßen künfftig eingestellet, undt wann es Ja die raison erfordert, des Richters undt SchöppenMeisters guttachten vom Raht erfordert werden. Damit aber doch bey denen Einnahmen die Alte gewohnheit nicht gantz auß denen Augen gesetzet werde, ist beliebet worden, daß wann Raht undt Gericht zusammen ein Licht machen leßt, 18 mk. Bey der receptur des Zinßes von Langendorff, 13 mk. 30 ß bey Einnahm des GeldtZinßes undt Lagarbische Interesse 9 mk. Auß dem Publico mögen angewandt, verzehret, undt in Rechnung gebracht werden. Daß die Avisen nicht auß StadtMitlen, sondern von privatis, so sie haben undt lesen wollen, mögen mögen bezahlet werden, ist einmühtig geschlossen worden. Item
30. Daß die zur Bekleidung der KirchenCrohne vor E.Erb: RahtsStandt gemachte WachßLichte nicht von StadtMitlen, sondern E.Erb: Raht eingekommene Straffen, undt Sportulen angeschaffet werden, weniger die Hrn. Rahtsverwandten von solchem Wachß, so auß StadtMitlen gekauffet, etwas nach Hauße zunehmen befuget seyn sollen. Ad 30. Daß die auß StadtMitlen gemachte WachßLichte zu bekleidung der KirchenCrohnen vor E. Erb: Raht undt Gerichtsstandt mögen angewandt, undt nicht von denen Rahtsverwandten nach Hauße genommen, sondern wo waß übrig, dem Publico zu gutt verkauffet werden.
31. Hatt Herr BürgerMeister Christoph Engelbrecht den 18. July 1690 auffm Rahthauße in gegenwahrt der gantzen Gemeine, mit einem Handtschlag versprochen, für alle seine Capitalia die Er an der Stadt hatt, nicht mehr alß Jährlich 5. pro Centum so lange Sie unabgeleget stehen bleiben, zu nehmen. Ad 31. Herr BürgerMeister Engelbrecht gestehet vor alle Capitalien so er bey der Stadt hat, nicht mehr alß Jährlich 5. vom Hundert zu nehmen, gleich andern Bürgern, so lang Sie unabgeleget stehen bleiben. (Capitalia = Darlehn des Bürgermeisters an die Stadt).


32. Daß die Alte Wachbuhde wieder den Bürgern möge eröffnet, undt eingeräumet werden, undt nicht Salva venia ein Cloack auß derselben gemachet werde, welches der gantzen Stadt Zum höchsten preejuditz undt Beschimpffung gereicht. Ad 32. Die Alte Wachbuhde muß wieder denen Bürgern geöffnet, undt eingeräumet werden, den dieselbe bequemer von beyden Thoren, wann bey finsterer Nacht Licht darin brennet, kann gesehen, undt darff also der ankommende undt Reisende nicht lang auffgehalten werden.

33. Daß der SchöppMeister auch einen á parter Eydt leisten möge, der Stadt bestes jederzeit zu suchen. Ad 33. Der SchöppMeister muß alß Gerichtsverwandter einen schweren Eydt thun, undt könnte es woll darbey sein bewenden haben, weilln aber die Bürgerschafft steiff darauff gedrungen, BürgerMeister undt Raht auch willig zugeben, alß mag ein formular zu dem Eyde agbefaßest, undt von denen künfftigen SchöppMeistern bey der Chur und Wahl geleistet werden. (Schöppmeister = Vorsitzende der Schöffen)

34. Daß Herr Johann George Großmann die verursachte Unkosten wegen seines Brauhaußes, welche sich auff 100 mk. Belauffen, der Stadt gutt thun möge. Ad 34. Herr Johann George Großmann kann der Beschaffenheit der Sachen nach in die Unkosten nicht condemniret werden, angemercket Er des Rahts Untersuchung und permisssion, auch deßwegen ein Churfürstl: hohes Rescript vor sich gehabt, es hat sich auch auß diesen undt anderen deswegen den Ursachen die Bürgerschafft der Expensen begeben.

35. Daß Herr StadtSchreiber nicht mehr von solchen Registern, so Er der gantzen Stadt zu fertigen schuldig, á parte bezahlung nehme, alß vom Langendorffschen Zinnß- undt BartenZinnßRegistern, auch vor außfegung deßen Schornsteins in der StadtSchreiberey der Stadt nicht anrechnen möge. Ad 35. Dem StadtSchreiber bleibet alter gewohnheit nach die Eine Mk. vor daß Langendorffsche ZinnßRegister, undt Eine Mk. vor daß BartenZinnßRegister, den Schornstein aber hat Er uff seine Eigene Unkosten reinigen zu laßen.

36. Daß Herr StadtSchreiber kein Reiß zum Bierschanck an die Haackenbuhde stecken möge, sondern wie Alters hero mit dem WeinCrantz undt Häckerey vergnügt sein soll. Ad 36. Weilln an keiner Buhde (=Haus) ein Reiß umb Bier zu schencken anzustecken erlaubet ist; Alß mag der StadtSchreiber mit bestandt Rechtens solches nicht praetendieren, sondern wie vor Alters gewesen, mit dem WeinCrantz undt Häckerey vergnüget seyn. (Wenn ein Bürger frisch Bier gebraut hat, hat er das durch ein Zeichen am Haus kenntlich bemacht, auf das Interessenten von ihm Bier kaufen kommen).


37. Daß die Stadt Privilegia dem Raht undt Gericht auff erfordern Kundt gethan, keinem aber dieselben in PrivatHäußer zu nehmen zugegeben werden möge. Ad 37. Eß were nicht undienlich daß alle undt jede Privilegia der Stadt Jährlich Einmal der gantzen Bürgerschafft möchten vorlesen, außm Raht und Gericht aber können Sie keinem auffm RahtHauß zu lesen versaget werden. Herunter in PrivatHäußer zu nehmen soll es nicht erlaubet sein.

38. Daß Niemand zum Anfang und Continuirung des Landtages oder zur Tagefahrt ohne Consens der gantzen Bürgerschafft reisen möge. Ad 38. Es gehöret sich, daß die jenigen so von der gantzen Stadt auff die Landt- undt ConvocationsTage müßen geschicket, auch von allen erwehlet werden, wornach sich auch die Stadt Schippenbeyl wirdt zu achten haben.

39. Daß die angebauete Ställe, so einige Bürger an ihren Häußern haben, vom Grundtzinnß befreyet bleiben mögen, weil solche einmahls waß gegeben haben. Ad 39. Waß vor diesem nicht schon eingeführet gewesen, kan ohne Consens undt bewilligung der gantzen Bürgerschafft, bloß von BürgerMeister undt Raht nicht eingeführet werden, doch ist von Ihnen derob zu sehen, daß nichts verbauet werde, welches dem Publico zum praejuditz oder dem Ansehen und Erweiterung der StraßenZum Nachtheil gereiche.

40. Daß die Miethe von Zinnßgärthen, die wie Alters hero nicht höher alß 15 biß 20 gr. Bezahlet, undt daß von denselben, wenn einige Bürger einen oder den anderen Kaufflich an sich bringen wollte, mögen gelaßen werden. Ad 40. Die Miethe von denen Zinnßgärthen, muß so hoch alß immer möglich dem publico zum besten gebracht werden. Eß ist aber nicht nöhtig, dieselbe so hoch zu steigern, daß Sie wegen des hohen Preißes gar wüst liegen bleiben. Undt weilln so woll BürgerMeister undt Raht, alß Richter, Gericht undt Gemeine vor dienlich finden, daß wenn einige Bürger einen und andern Käufflich an sich bringen wolten, solche mögen gelassen werden, alß hatt man solches bey ereugender gelegenheit nicht außzuschlagen.

41. Wegen der Zwischen E.Erb. Raht dieser Stadt undt den Langendorffschen Bauren neülich gemachte Transaction behält E. Gericht und gantze Gemeine Ihnen ihr Recht bevor, angesehen selbte nicht wie sich gebühret, mit Zuziehung des Gerichts undt Gemeine getroffen. Ad 41. Dafern E. Erb. Gericht undt Gemeine wieder die getroffenen Transaction mit denen Langendörffern mit bestande Rechtens waß zu sprechen hat, soll Ihnen solches in quantum juris unbenommen sein.

42. Daß Herr Krebß fortmehro sich resolvire entweder hier in der Stadt stets zu verbleiben, undt daß ViceBürgermeister undt RahtsverwandtenAmbt zu verwalten, oder davon gäntzlich abzudancken. Imgleichen weil Herr Johann Georg Großmann der StadtCämmerey undt dem Rahtsverwandten Ambt renuncyret, nunmehro deßen gantz erlaßen seyn, undt zu keinen Sessionen undt Consiliis gefordert werden möge. Ad 42. Herr Krebß verneinet, daß ob Er schon ein Gutt zwey kleine Meilen von der Stadt arrendiret, Er doch nimmer oder sehr selten die Ordinar undt Extraordinar Sessiones bey Raht versäumet, undt also sein Ambt genüglich gethan habe, wolle sich doch künfftig so erklähren, daß man über Ihn zu klagen keine Ursach finden werde. Herr Großmann ist bereit abzudancken, doch reserviret Er sich die Rang undt alle und jede Beneficia so ein Rahtsverwandter hatt, außer Holtz undt Hey (Heu), deßen Er sich willig begeben (aufgeben), welches von allen theilen bejahet und approbiret worden.

43. Daß das Anno 1679 hier gebrauete CommissBier von den jenigen welche darüber gesetzet gewesen, sindt gebührend berechnet, undt wo selbiges geblieben, beantwortet, oder der damahlige Raht wegen Übeler Obsicht desfalß, imgleichen wegen des StationGetreydes gehalten werden möge, dergestaldt, daß imfall die darüber gesetzte nicht bezahlen können, die damahlige Rahtsverwandten oder ihre Erben zur bezahlung angehalten werden sollen. Ad 43. Wegen des gebrauenen CommissBiers, Item des StationGetreydes de Anno 1679 weilln darvon keine Rechnung abgeleget, bleibet der Stadt Ihre Action Contra quem de jure competierit frey undt unbenommen.

44. Daß die also genandte Feldtherren wegen Hirt- undt Zechner Lohn, nach ihrem eigenen gefallen nicht einen Überschlag machen, sondern ein jedweder Bürger undt Einwohner ohn ansehen der Persohn und condition sein Ferdt undt Viehe Treulich auffm Rahthauße in gegenwahrt E.Erb: Raht Gericht undt der Eltesten angebe, darüber ein gewißer Anschlag gemachet, undt nach selbigem daß Hirt undt ZechnerLohn vor dem FeldtAmbt beygetrieben werde. Ad 44. Die also genandte FeldtHerren sollen hinführo nicht nach ihrem eigenen gefallen wegen Hirt undt ZechnerLohn einen Überschlag machen, sondern jeder Bürger undt Einwohner soll seine Pferd und Viehe auffm Rahthauße, undt zwar un gegenwahrt Rahts, Gerichts, undt der Ältesten damit alle unterschleiffe verhüttet werden, treulich angeben, und vor jeder Stück daß verschwiegen wirdt, Ein Güld: Straff erlegen, wann solches geschehen, soll ohne ansehen der Persohn undt Condition, außer BürgerMeister, StadtSchreiber undt SchützenKönig ein Anschlag, undt nach demselben vom FeldtAmbt daß Hirt undt ZechnerLohn beygetrieben werden. (Die Bürger hatten Vieh, welches gemeinschaftlich von Hirten auf den Weiden der Stadt gehütet wurde. Die Kosten sollten je nach Viehanzahl unter den beteiligten Bürgern geteilt werden.)


45. Daß die Letzte also genante Kastenherren und desselben Collegen oder ihre Erben alle Register, Obligationes undt andern Ding, so im Kasten (=Stadtkasse) gewesen, oder dazu gehöret haben, herfür geben, undt daß eben so viell und nicht mehr verhanden gewesen sey, undt dasselbige nichts unter sich unrechtmäßiger Weise geschlagen haben, mit einem Cörperlichen Eyde bestärcken. Ad 45. Es können die Letzt gewesene Kastenherren oder derer Erben sich nicht entbrechen, alle Register, Obligationes undt andere Sachen, so im Kasten vor diesem gewesen, dafern Sie noch waß davon haben, hervor zu geben, oder mit einem Cörperlichen Eyde zu erhalten, daß so viell Ihnen wissend, alles richtig abgegeben, nichts unterschlagen, undt bey Ihnen nichtes vorhanden sey.

46. Daß hinfort kein StadtSchreiber in Rahts oder GerichtsCollegium, weilln selbige distincta numera seyn, undt distinctas personas requiriren, befordert werden möge, Er dancke dann zuvor vom StadtschreiberDienst ab. Ad 46. Der StadtSchreiber, weilln er ohne dem eine wichtige Function hatt, auch wann Er ein Beysitzer des Rahts undt Gerichts ist, viele Ungelegenheiten nach sich ziehet, den er alles doppelt, alß Rahtsverwandter undt StadtSchreiber erfordert; Alß soll ins künfftige kein StadtSchreiber, so lange Er seinen Dienst nicht resigniret, weder in den Raht noch Gericht genommen werden.

Gravamina Richters undt Gerichts der Stadt Schippenbeyl1. Daß die GerichtsSessionen, wie bey denen meisten Städten gebräuchlich, alleZeit auff dem Rahthauße gehalten werden mögen, wenn nicht solche Sachen fürfallen, die keinen Verzug leiden, oder nicht füglich allda vorgenommen werden können. Ad 1. Es ist schon beym 1sden Punct der Bürgerschafft Gravaminum verordnet worden, daß alle Sessiones so vom Raht alß Gericht auffm Rahthauß undt nicht in Privathäußern geschehen sollen, wie dann so woll der Raht alß Gericht Ihre Ordentliche Tage woll zu observiren haben.

2. Daß bey denen hier in Schippenbeyl verhandenen Kühren, wie der gesunden Vernunfft undt Billigkeit gemäß, undt in andern Städten gebräuchlich, der BürgerMeister die Neuen Rahtsverwandten, die Richter die Neuen Schöppen, erwehlen, undt hernach Raht, Gericht und die gantze Bürgerschafft den SchöppenMeister erwehlen, undt der Richter allein Ihn zu seinem Collegen ruffen möge. Ad 2. Wie es bey der Chur- undt Wahl der Rahts- undt GerichtsPersohnen alleZeit gehalten worden, darbey hatt es billig sein bewenden und hatt der Richter, alß welcher von denen Herren HaubtLeuthen nach ihrem gutt befinden erwehlet wirdt, nicht zu besorgen, daß dieselbe werden zu geben, daß entweder untüchtige Persohnen, oder solche, wieder welche er zu sprechen hat erwehlet werden, sintemahl Er bey der Wahl derselben zugegen sein, sein gutt achten darzu geben, undt dieselben ruffen muß.

3. Daß der Stadt- undt Gerichtschreiber allen GerichtsSessionen beywohnen, dem Jenigen, waß unser Landtrecht und der in demselben verfaßete Eydt von Ihm erfordert, in allen Clausuten undt Stücken gehorsahmst nachleben, keinem Menschen wieder Raht oder Gericht anschläge geben, und rahten, wieder diese beyde Collegia, zumahlen wenn eine Müßselligkeit unter Ihnen entstanden, nichts sprechen undt schreiben, noch in einerley Wege dieselbe zusammen hetzen undt weiter Feindtschafft undt Verbitterung dadurch zuwege bringen: undt, im fall Er diesem allen im geringsten entgegen seyn möchte, alle Zeit bey dem Herren AmbtsHaubtmann, den der Stadt- undt GerichtSchreiber hierin schlechterdings für seinen Richter zu erkennen schuldig ist, stehen möge. Ihn praevia summarissima causae cognitione vom Stadt- undt GerichtSchreiberdienst zu setzen, auch Raht oder Gericht alßdann, wenn etwas wieder Ihn angeführet und erwiesen werden kann, Ihn vor verurtheil- und Entscheidung der Sache zu den AmbtsVerrichtungen bey Sessionen undt sonsten nicht zufordern befuget sey. Ad 3. Dem Stadt- undt Gerichtschreiber gehöret seinem Eyde undt Pflichten gemäß, allen GerichtsSessionen beyzuwohnen, undt daß jenige waß allda vorgehet, fleißig zu notiren undt protocolliren. Wann Raht undt Gericht Uneins sindt, ist er obligiret alles waß in seinem Vermögen ist, zur reconsiliation undt Frieden anzuwenden, Sie aber durchauß nicht zusammen zu setzen, daß Er von Einem höret, dem anderen außzutragen, undt also weitern Feindtschafft undt Verbitterung zuwege zu bringen, uff dieses wirdt der jetzige StadtSchreiber undt alle seine Successores gewiesen, welche ihren Pflichten nach, dem allen nachkommen sollen.

4. Wirdt allergehorsambst gebehten, daß wie in andern Städten gewöhnlich, einer von denen StadtDienern bey dem Herrren BürgerMeister, undt der andere beym Richter alleZeit auffwarten solle, damit, wenn etwas vor deren Ambt unverzögerlich zu bestellen, undt außzurichten ist, der Diener nicht lang gesuchet werden darff: Im Fall aber beyde nach Erforderung der Sachen bey eines Ambt, oder Raht undt Gericht nöthig sindt, dieselbe auch mit Zuziehung des WagenKnechts ihre Pflichte thun sollen.
5. Daß dem BürgerMeister undt Raht ernstlich undt bey einer gewißen Straffe anbefohlen werde, den Stadtdienern, wie bißhero Leider geschehen, weiterhin nicht zu verbiehten, daß, wenn Ihnen vom Richter oder Gericht eine Vorladung zu bestellen demandiret worden, Sie selbte entweder eher nicht, biß Sie davon dem BürgerMeister oder Raht Bericht abgestattet, oder gar nicht bestellen müßen: Allermaaßen solche anmuhtung schlechterdings zu beschimpffung des Gerichts undt Richterlichen Ambts gereichet, undt des Dieners Ambt undt Eydt wiederstreitet.
Ad 4. et 5. Beyde StadtDiener werden vom Publico darzu gehalten, daß Sie beym BürgerMeister undt Raht, Richter undt Gericht auffwarten sollen, solches muß fleißig in acht genommen werden, ist auch denen Dienern anbefohlen, dem Richter auch auffzuwarten, undt wann einer beym BürgerMeister ist, der andere sich beym Richter einfinden soll, undt wann sie beyde bey Einem zu thun haben, muß der WagenKnecht beyspringen undt hülfreiche Handt bieten. Deßgleichen wann eine Ladung vom Richter den StadtDienern zuthun anbefohlen, müssen sie solches augenblicklich verrichten, undt haben deßwegen des BürgerMeisters genehmhaltung undt Consens, alß welcher damit nichts zu thun hat, nicht zu erfordern.
6. Daß BürgerMeister für seinem Ambt oder E. Raht Keine Schuldt, noch andere Sachen welche Vermöge LandtRecht undt der bißherigen gewohnheit an daß Richterliche Ambt oder daß Gericht gehören, nicht einsten unter dem Vorwandt eines gültiges Vertrages annehmen, weniger Verabschieden, sondern viellmehr die Jenige, so ansuchung thun, an daß behörige Forum und wo die Sache hingehöret, so fort verweisen sollen. Ad 6. Die Schuldt- undt andere Sachen, so vermöge LandtRecht undt bißheriger gewohnheit vor Richter und Gericht gehören, hat BürgerMeister undt Raht auff keine Ahrt undt Weise, auch nicht eins unterm Vorwandt eines gültigen Vertrags, an sich zu nehmen, viellweniger zu verabscheiden, sondern ans ordentliche Forum also fort zu verweisen.

7.Vermöge der Churfürstl: Verabscheidung vom 8ten Septembr: verwichenen 1689sten Jahres soll in delictis undt Müsshandlungen, wann Jemand ordentlich angeklaget wirdt, die Sache baldt vor den Richter oder Gericht anhängig gemachet, sonsten aber, wo kein Ankläger ist, und wieder einen Überthäter per modum inquisitionis zu verfahren, vom Raht ein Scrutinium gehalten, undt hernach derselbe dem Gericht übergeben werden, woher nohtwendig folget, durch unser LandtR: Lib: j.tit: 20.§.10. den bißherigen praxis undt Neuliche Vermittlung Sr: HochEdelgeb: Herrl: Unsers Herren HaubtManns fortgesetzet, undt jetzo zu confirmiren gehorsambst gebehten wird, daß die geringen Diebereyen, zugefügte Schaden, allerhandt Schläge undt Verwundungen undt dergleichen Übelthaten, worauff nur eine Geldt- oder indessen ermangelung die Thurmstraffe zuerkandt wirdt, wenn Sie auch nur beym Hrn. BürgerMeister oder E.Erb: Raht deferiret und angegeben werden möchten, maaßen darüber kein Scrutinium gehalten wirdt, allda nicht angenommen noch entschieden, weniger die Delinquenten, es sey denn am behörigen Ohrt, woselbst Unser LandtRecht hinweiset, bestraffet werden mögen. Undt nachdem hiesiges Gericht, wegen ihrer Mühewaltung in CriminalSachen, außer den Fällen da ein AnKläger oder auch Delinquent Rechtswegen die GerichtsKosten bezahlen müßen, von denen StadtMittlen Jährlich Vier Rthlr: empfangen, undt selbige dem Pfarrherren undt Diacono zum Neuen JahrsGeschenck überschicket, hingegen dasselbe wenn Jemandt zur Inquisition übergeben, auch in Criminalibus die Execution verrichtet worden; Dahero Keine absonderliche Sportuten auß der Cämmerey gefordert; Alß bitten Richter undt Gericht allergehorsambst, daß solches confirmiret werden möge, angesehen Richter undt Gerichte alhie wegen ihrer großen Mühewaltung sonsten wenig oder nichts zur belohnung oder Ergetzlichkeit haben. Ad 7. Alle Delicta undt Müsshandlungen gehören vor Richter undt Gericht, wo aber kein Kläger verhanden undt der Raht solches verrichten muß, holt Er, ehe undt bevor er es dem Gericht übergiebet, billig ein Scrutinium, wie solches auch die Churfürstl: Verabscheidung vom 8ten Septembr: 1689 erfordert, solches geschiehet aber nur in wichtigen undt erheblichen Sachen, in geringen Diebereyen aber, zugefügten Schaden, allerhandt Schlägen, Verwundungen undt dergleichen Übelthaten, worauff nur eine Geldt, oder in deßen Ermangelung, ThurmStraffe zuerkandt wird, ist nicht nöhtig unterm praetext Scrutinia zu halten. Die Sachen vom Richter und Gericht ab, an den BürgerMeister undt Raht zu ziehen. Nachdehm nun waß vorgeschehen, güttlich ist beygeleget worden, undt BürgerMeister undt Raht versprochen, künfftig solche Sachen dem Richter undt Gericht zu überlassen; alß hatt es darbey sein bewenden. Deßgleichen bleiben die Vier Rthlr: so daß Gericht auß StadtMitlen empfänget, wegen ihrer Mühewaltung in CriminalSachen, so ex officio getrieben worden, sintemahl es sonsten keine Ergetzlichkeit davor hat, denselben billig, umb viell desto mehr, weill auß einer Uhralten gewohnheit dieselbe dem Pfarrherren undt Diacono Jährlich zum Neuen Jahresgeschenck dargereichet worden.

8. Dieweil Schicht- undt Theilungen (=Erbangelegenheiten) nach unserem LandtRecht Lib: j.tit:10.§.19. in pr: undt tit:43.art:4. woran die Sportuten vor die Inventirungen, Schicht- undt Theilungen gehandelt wirdt, zu den Bürgerdingen oder vor E.Erb: Gericht gehören, nur das E.Erb: Raht Laut LandtRecht l. 1.tit:10.§.18.n.2. die Jenige so Theilung zu thun schuldig, dahin compelliren, und, wann dieselbe vom Gericht abgezeuget, in die StadtBücher einschreiben laße, confer: num: 12. d. L. Alß wirdt hiermit dehmütigst gebehten, daß es fortmehro bey dem dürren Buchstaben unsers revidirten LandtR: zumahlen, da Laut desselben praefat: vorh: Da aber Jemandt wieder diese Unsere Constitutiones, alle gewohnheiten, so den revidirten Ordnungen, Satzungen undt LandtRechten gemeeß undt entgegen, gäntzlich auffgehoben, cassiret und abgethan sein sollen, schlechterdings sein bewenden haben, undt E.Erb: Raht sich mit dem Schicht- undt Theilungen selbst zufrieden geben möge. Ad 8. Schicht- undt Theilungen gehören Laut Landtrecht vor die Gerichte, undt können denenselben mit bestande Rechtens nicht gestritten werden, weilen dennoch dieselben von undencklichen Zeiten beym Raht gewesen, alß lasst es daß Gericht auch gern dabey bewenden, wann Ihnen nur die Kauff, Tausch undt andern Verschreibungen, so jederzeit bey Ihnen gewesen, gelassen werden, welches BürgerMeister und Raht gern und willig eingehet.

9. Ferner, daß die also genandte Feldtherren die jenige Sachen, welche vor den Richter oder das Gericht gehören, alß auf den Feldern, Wiesen, Wegen und Wäldern dieser Stadt außgeübten Diebstall, Raub, Gewaldt, Schlägerey und Verwundungen, zugefügten Schaden, Bearbeit- und Säeung fremder Stücken und dergleichen, und der vom Raht geordnete Wettherr, Kauff und Verkauff, undt waß demselben anhängig, weiterhin nicht vor sich nehmen undt entscheiden sollen, sondern die Erkentnüß darüber verurtheilung undt Straffe dem Richter oder Gericht anheim gestellet seyn laßen. Waß aber die aus Rahts undt Gerichts Mittlen besetzte Ämbter concerniret, wenn etwaß in denen Sachen, die Ihnen zu entscheiden gelassen, bey denselben für Recht erkandt ist, undt jemand sich von dem Auspruch anderweit beziehen wolte, die beziehung an Raht undt Gericht conjunctim geschehen solle, damit der Richter und daß Gerichtscollegium über Einträg in die zugehörige Jurisdiction oder Vergeringerung des Ambts nicht wieder Ursach zu Klagen gewinnen. Ad 9. Die Feldtherren sollen sich künfftig nicht unternehmen die jenigen Sachen so vor Richter undt Gericht gehören, vor sich zu nehmen, viellweniger zu decidiren. Undt Ihnen also über Sie zu klagen Ursach geben, dafern auch ferner Streit zwischen Ihnen entstehen solte, wird Ihnen Ziel und maaß gegeben werden. Mit der Wett undt denen Sachen so dahin gehören, soll es wie in Königsberg, desgleichen wenn von denen Aussprüchen provociret wirdt, gehalten werden.

10. Gleich wie die Jurisdiction auffm Langendorff hie in Schippenbeyl Niemanden besonders verliehen oder reserviret, andern vor die gantze Stadt Theuer erworben ist, also bitten Richter undt Gericht gehorsahmbst, daß dieselbe auch willig der gantzen Stadt eygen verbleiben, und vom BürgerMeister undt Raht, Richter undt Gericht nach dem in unserm LandRecht Lib: 1. tit: 10. §. 8.9. et 10. gesetzten unterscheidt der Sachen, undt wie den vorigten puncten beredet, exerciret werden möge, außer denen Dorff- undt anderen geringen Sachen, welche pro delegatam Jurisdictionem dem Schultzen undt denen Dorffgeschworenen gelassen, noch zur beßeren Nachricht determiniret und erörtert werden können. Ad 10. Weilln der Raht die Jurisdiction jederzeit über Langendorff exerciret, daß Gericht biß dato auch nicht dargethan, daß in denen Zufällen so vor Gericht gehören, sie jemahls vor Gericht gestanden haben, zudehm auch durch die Commision des Rahts Jurisdiction festgesetzet worden; alß muß es billig sein bewenden darbey haben. Die geringen DorffSachen aber bleiben wie vor Alters bey dem Schultzen undt denen Geschworenen des Dorffs, welche nach inhalts Ihrer WillKühr es abzumachen haben.

11. Stellet daß Gericht zum Rechtlichen Erkäntnüß, daß wenn bey hiesiger Stadt sich einige Sachen eraügen, welche weder per expressum textum et argumentum LR: noch durch eine Rechtliche gewohnheit an ein gewißes Ambt oder Raht undt Gericht eigentlich gehören, darinnen daß Jus praeventionis gelten möge, so daß, wer in solchen Sachen zum Ersten citiren und laden laßen, derselbe auch die cognition und execution ohne Jemandes behinderung bewerckstelligen solle. Ad 11. Wann sich Sachen finden solten, so weder per expressum Textum et argument: des Landtrechts, noch durch eine Uhralte Gewohnheit an ein gewißes Ambt, oder Raht undt Gericht gehören, soll daß Jus praeventionis statt haben; dergestaldt, daß welcher zuerst citiren leßt, bey demselben bleibt auch die cognition undt execution ohne Jemandes Verhinderung.

12. Daß Niemand, der bey dem Richter oder Gericht verurtheilet oder nur belanget worden, an daß BürgerMeisterliche Ambt oder den Raht, worhin die vorgenommene Sach entweder laut LR: undt bißherigen Gewohnheit, oder wegen des Juris praeventionis nicht gehöret, sich zu beziehen, unterstehen, sondern derselbe sofort zurück undt wenn Er solches freventlich thut, die beyden Collegia, Raht undt Gericht, oder BürgerMeister undt Richter zusammen zu setzen, undt unter Ihnen Feindtschafft undt Verbitterung zu erwecken, ohne ansehen der Persohn mit Straff Einwendung abgewiesen werden solle. Ad 12. Von Keiner Sache so vor Richter undt Gericht gehöret, undt anhängig gemachet ist, kan man sich an den Raht, viellweniger an das BürgerMeisterliche Ambt beziehen: Da einer der so freventlich diesem wiederstehen wirdt, solte gefunden, muß derselbe gebührend bestraffet undt zurückgewiesen werd.

13. Von undencklichen Jahren her ist bey dieser Stadt gebräuchlich gewesen, daß wenn die GewercksEltesten oder der SchöppMeister im Nahmen der Sämbtl: Zünfft und Gewercke etwas in StadtSachen vor hiesigem Raht oder sonsten zu suchen gehabt, bey dem Richter undt Gericht selbige erstlich zusammen gekommen, mit einander deliberiret, und conjunctim, waß Sie vorhabens zu beforderung der Stadt Wollfahrt geschloßen, wodurch die Sämbtl: Glieder in immerwährender Einträchtigkeit mit E.Erb: Raht gelebet, biß Sie von einem und dem andern unruhigem Kopff zergliedert, indem Richter undt Gericht sogar die Handt gebunden werden wollen, daß die GewercksEltesten allda ohne des Herrn BürgerMeisters oder E.Erb: Rahts Consens nicht zusammen gefordert, oder freywillig hinkommen mögen, vorgebende, solches were also durch eine Commissorialiche Verabscheidung fest gesetzet. Weilln aber durch so eine langwirige Gewohnheit hiesigem Gericht ein Jus quaesitum entstanden, welches von denen Hoch undt Wollverordneten Herren Commissarien niemahls gehoben, maaßen nach dem Rechten alle conventicula verbohten, undt Laut der Commissorialischen Abhandelung dem SchöppMeister nicht verstattet werden, daß die Gewercke ohne beregten Consens zusammen kommen sollen, wodurch dem Richter undt Gericht, so hierüber Keines weges gehöret, noch ihre Nohtdurfft beygebracht undt also auch in der Verabscheidung nicht gemeinet seyn können, cum resinter alios acta alys non praejudicet, wieder daß Jus quaesitum nichts verordenet, zumahlen davor selbige nicht die gantze Gewercke, sondern derselben Eltesten, oder ihre Deputirte zusammen kommen; zu dem wann E.Erb: Raht sothane Commissorialische Einrichtung in hoc puncto contra juris principia ad alia non cogitata extendiren, und nicht vielmehr restringiren wolte, selbiger etiam cum alterius injuria absolutam potestatem über die gantze Stadt zu afectiren sich verdächtig machet. Alß bittet Richter undt Gericht gehorsahmbst, Sie bey ihrer Löblichen gewohnheit hochgeneigt zu schützen, und E.Erb: Rahtden übergefaßeten Wahn und solche linckische interpretation der vorigen Commissorialischen Einrichtung zu benehmen. Ad 13. Eß ist denen Ältesten unbenommen, Richter undt Gericht in Sachen der Stadt Wollfahrt betreffend zu consultiren; wie dann gar nicht zu besorgen, daß dieselbe etwaß rahten werden oder können, wordurch daß Bandt der Liebe undt der Einträchtigkeit zwischen dem Magistrat undt der Bürgerschafft könne gelöset werden, viellmehr wede dieselbe durch gültige und güttige remonstrationes suchen beyzulegen undt abzuwenden, waß durch all zu große praecipitantz eines oder des anderen möchte können vorgenommen, und dem publico zum schaden, dem gantzen Raht proponiret werden.

14. Bittet hiesiges Gericht dem BürgerMeister undt Raht einen scharffen Verweis zu geben, daß Sie alles rechtmäßigen protestirens ohngeachtet, ohne Zuziehung Einer Erbahren Gerichts, eines Gerichtsverwandten, wieder die bißherige Observantz mit einen auß Rahtsmittlen und einigen von der Gemeinen Bürgerschafft, daß also genante FeürerHerren Ambt verwalten, und ehe solches geschehen, dem Richter imperciöser weise hinterbringen laßen, daß E.Erb:Raht diesen oder jenen vom Gericht zum Feürerherren erwehlet, der Richter solte ihn dazu deputiren. Ad 14. Eß ist nicht recht, daß der Raht Einen GerichtsVerwandten zum Feürerherren Ambt neulich hat bestellen laßen, undt die Wahl deßen sich angemaßet, sondern es bleibt der Alten gewohnheit nach dieselbe dem Gericht, gleich wie der Raht Einen wo woll auß ihren Mitlen, alß die jenigen von der Bürgerschafft verordenet undt erwehlet.

Dieses sindt die Puncta so Einmühtig also abgemachet, undt waß darbey wollmeinend verordenet, genehm gehalten worden, solches sol zu ewigen Zeiten steiff undt fest gehalten, undt da Jemand darwieder verbreche, zu gebührender Straffe gezogen werden. Zu dem Ende ist es nicht allein vom Raht, Gericht undt denen Eltesten der Gewercke unterschrieben, undt untersiegelt, sondern auch durch des Herren Haubtmans Handt undt des AmbtsSiegel bestärcket worden. So wollentzogen Schippenbeyl den 30sten July Anno 1691

Siegel - Nomine Bürgermeisters und Rahts der Stadt Schippenbeyl unterschreibet dieses
Christoff Engelbrecht p.f. Bürgermeister
Siegel - Nomine Richters und des ganzen Gerichts der Stadt Schippenbeil unterschreibet dieses
Georg Wilhelm Reimann p.f. Richter MPPria(?)

Ich Reinhold Marquard itziger Zeitt Schopmeister unterschreibe derogestaldt daß sich alle Eltesten der Gewercke mitt unterschreiben, und UnterSieglen werden.
Siegel - Johann Georg Großmann, Eltermann der Mältzenbräuer Zunft.
Siegel - Peter Gelhar Eltermahn der Schuster
Siegel - Marten Hintzke Elter man des Schneidergewercks der Schneider
Siegel - Hanß Meiger ElterMan des Gewercks der Loß und Fest becker
Siegel - Nomine des gewercks der Schmiede unterschreibt dieses Christian Ruprecht ElterMan
Siegel - Nomine des gewercks der Kirschner Hanß Helinck Elterman
Siegel - Nomine deß Gewercks der Fleischhauer sambt der Beybrider Greger Haussendorf Elter Man
Siegel - Nomine des gewercks der Räder undt Geschirmacher Michel Gresselt (?)
Siegel - Nomine deß gewercks der TuchMacher Wilhelm Kraußkop Eltermann
Siegel - Hans Lewerck Elterman der Töpffer

Nachdem so woll Ein erbahrer Raht, alß Richter, Gericht undt die Sämbtlichen ElterLeuthe in Meiner gegenwahrt Ihre Nahmen unterschrieben, undt die Ihnen zugeordnete Siegel auffgedrucket, auch von Mir begehret, daß Ich es Ambtswegen confirmiren möchte; Alß habe Ich solches unter Meiner Unterschrifft undt des Churfürstl: Ambts Insiegel bestärcken wollen. Schippenbeiyl den 30sten July Anno 1691

Siegel - Christoff Alexander von Rauschke (der im Text erwähnte Hauptmann, heute würde man ihn Landrat nennen)


Ich weiß nicht recht, ob irgend jemand wirklich den ganzen Text bis zum Ende Lust hatte zu lesen. Ich stelle diese Abschrift dennoch hier zur Verfügung, weil ich finde, daß es ein wichtiges Dokument über die Organisation eines Gemeinwesens ist.

Wenn wir uns heutzutage mitunter vorstellen, daß wir in der Gegenwart auf der höchsten Welle des sogenannten Fortschritts schwimmen und alles Gewesene vor uns zwangläufig irgendwie einen niederen Entwicklungsstand aufgewiesen haben muß, kann solch ein Dokument aus alten Zeiten die Vorstellungen über das ach so rückständige Leben unserer Vorfahren in früheren Jahrhunderten und einen all zu kühnen Fortschrittsglauben relativieren helfen.

Nach meiner Auffassung ist es eher so, daß die gesamte Wissenskapazität einer Gemeinschaft von Menschen mit kleinen Schwankungen mehr oder weniger konstant bleibt. Im Laufe der Zeiten verändert sich zwar das Wissen dergestalt, das Neues hinzukommt und Altes der Vergessenheit anheimfällt. Aber das Wissen an sich dehnt sich nicht aus. Vieles geht verloren. Vieles kommt hinzu. Organisches Wachstum... ? Aber trotz unseres großen technischen Fortschritts heutzutage haben wir doch immer noch die gleichen sozialen Probleme, wie hier in dieser über 300 Jahre alten Gravamina dargestellt. Wir haben immer noch Menschen oder Instanzen unter uns, die sich am Gemeinwesen bereichern oder meinen, zum Nachteil Anderer in die eigene Tasche wirtschaften zu müssen. Nur die Summen, die Dimensionen sind heute vielleicht größer geworden. Wir haben immer noch ein Problem damit, wie wir mit solchen Fällen von Machtmißbrauch, Veruntreuung und Schlimmerem angemessen umgehen sollen oder wie wir es verhindern können. Wir haben immer noch das Problem, wie wir den Frieden in einem Gemeinwesen, sei es nun in einem Städtchen vor 300 Jahren oder in unserem Staat, auf unserem Kontinent oder unserem Erdball wirksam erhalten. Die allenthalben mehr oder minder intensiv aufwallenden Proteste machen deutlich, daß sich heutzutage nur die Dimensionen erweitert haben, die Probleme im Grunde aber nicht viel anders als vor 300 Jahren in Schippenbeil sind (ich gebe zu, das ist ein kühner Vergleich, aber ich liege doch damit nicht so daneben - oder?).

Faszinierend an dieser Akte finde ich, wie in dieser aufwendig erarbeiteten Vereinbarung die Grundlage für ein erneutes friedvolles Miteinander in jenem Gemeinwesen geschaffen wurde.

Gut 20 Jahre nach dieser Gravamina sind zwar wieder beklagenswerte Umstände ruchbar geworden in jenem Städtchen Schippenbeil, aber das wird eine neue Geschichte (siehe http://genealogischenotizen.blogspot.de/2008/10/streitigkeiten-in-der-stadt_27.html ).

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