Genealogische Notizen

Familienforschung kann spannend sein wie ein Kriminalroman. Wir möchten Euch teilhaben lassen an den aufregenden Geschichten, die wir in Kirchenbüchern und Archiven ausgraben. Taucht ein mit uns in vergangene Epochen und rätselhafte Verwicklungen, historische Lebensumstände und die Geschichte einer Region, die es heute so nicht mehr gibt: das frühere Ostpreußen.

Samstag, 12. März 2016

Die BERGAUs im Samland

Der Familienname BERGAU kam im Samland recht häufig vor. Meine Verbindung zu den BERGAUs beginnt mit einer Urur-Großmutter:
Wilhelmine Friederike BERGAU, *1834 in Weischkitten
Sie ist die älteste Tochter des Cöllmers Johann Samuel BERGAU (1806-64), der in Weischkitten einen Hof von 204 Morgen (ca. 50 Hektar) bewirtschaftet. Weischkitten gehört zum Kirchspiel Rudau. Wenn man sich auf den Weg von Cranz nach Pobethen begibt, liegt Weischkitten auf der Strecke zwischen Michelau und Grünhoff, dort wo die Chaussee in einem 90-Grad-Winkel nach Süden abknickt, bis dann nach einigen hundert Metern der Abzweig nach Grünhoff und Pobethen sich wieder nach Westen wendet.
Das Dorf Weischkitten bestand jahrhundertelang aus 5 Bauernhöfen*) von je 135 Morgen, die dem Amt Grünhoff scharwerkspflichtig waren, außerdem einem adeligen Gut von 270 Morgen (mit bürgerlichen Besitzern) und einem Dienstgrundstück für den jeweiligen Forstbediensteten. In den 1780er Jahren wird dieses der Landesherrschaft gehörende Forstgut „in Erbpacht ausgethan“ an Johann Friedrich BERGAU (1751-1836), dem Vater von Johann Samuel. Wie es heißt, macht die Existenz eines Dienstgutes für einen Forstaufseher in Weischkittten keinen Sinn, weil der ehedem zu betreuende Forst schon lange nicht mehr in nötiger Größe vorhanden ist oder sich die Aufgaben und Strukturen nachhaltig verändert hatten. Im 17. und 18. Jh. wurden die Nutzer des Forstgutes als "Hasenheger" tituliert. Vielleicht stand diese Aufgabe in Bezug zum Schloss Grünhoff, das zur Zeit des Großen Kurfürsten der Landesherrschaft noch als Jagdschloss diente. Später wurde es zum Sitz des Amtmannes, der neben einer erfolgreichen Bewirtschaftung des Gutslandes auch für die Regionalverwaltung zuständig war.
Schloss Grünhoff um 1860

Nach den Napoleonischen Kriegen verschenkte König Friedrich Wilhelm III. die Domaine Grünhoff an seinen General Friedrich Wilhelm von Bülow. In Anerkennung seiner militärischen Verdienste erhielt er die erbliche Grafenwürde mit dem ehrenden Zusatz "von Dennewitz" (siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Wilhelm_B%C3%BClow_von_Dennewitz)


1790 kauft Johann Friedrich BERGAU den Hof in Weischkitten zu sogn. köllmischen Rechten. Sein Sohn und Hoferbe Johann Samuel ist das Jüngste von 10 Kindern. Dessen ältester Bruder Johann Wilhelm (1783-1864) heiratet 1807 eine Köllmer-Witwe KOBBERT in Barthenen und begründet so den dortigen Zweig dieser Familie. In folgendenden Generationen verzweigen sich die Weischkittener BERGAUs auch nach Eisliethen und nach Michelau.

Dann gibt es eine weitere BERGAU-Familie in Sasslauken im Kirchspiel Rudau. Auch dort übernehmen die BERGAUs in den 1780er Jahren ein Gut. Sie kaufen 423 Morgen von der seit vielen Generationen in Sasslauken ansässigen Köllmer-Familie VOGEL. Die BERGAUs in Sasslauken verkaufen den Hof jedoch etwa 1836 (nach dem Tod des Vaters Wilhelm Bergau 1776-1835). Der letzte Erbe Ludwig Samuel BERGAU taucht 1839 als Hochzinser in Neuhof im Kirchspiel Quednau wieder auf.

Die Patenbenennungen der oben erwähnten BERGAU-Familien in Weischkitten und Sasslauken lassen den Schluss zu, dass eine Verwandtschaft bestanden haben könnte. Auffällig ist bei beiden, dass die Familiengründer offenbar genug finanzielle Resourcen hatten, um sich durch den Ankauf eines Gutes in den 1780-90er Jahren eine auskömmliche Lebensgrundlage zu schaffen. Man darf daher annehmen, dass diese beiden BERGAUs aus einer begüterten Familie stammen, von der sie eine entsprechende Erbschaft mitbekommen hatten.

Um die Herkunft und Verwandtschaft dieser beiden BERGAU-Zweige aufzuklären, müssen wir nun die größeren cöllmischen Güter im Samland in den Blick nehmen, die im Besitz von Namensträgern BERGAU waren. Ein bedeutender Besitz dieser Art war das Gut Georgenswalde
(siehe: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Otradnoje_(Kaliningrad,_Swetlogorsk)&redirect=no )
Georgenswalde stand über mehrere Generationen bis 1870 im Besitz einer Familie BERGAU. Nach 1900 entsteht auf einem Teil des Gutslandes die Villenkolonie Georgenswalde in attraktiver Nähe zur Steilküste und dem Ostseestrand. Ein Wanderweg oben auf der Steilküste bot atemberaubende Ausblicke.

Gutshaus Georgenswalde um 1900
Die BERGAUs von Georgenswalde begegnen mir bei meinen Forschungen in Diewens (Kirchspiel Pobethen). Dort erscheint 1814 ein Ernst Bergau und heiratet die Cöllmerwitwe Trunz. Die Heirat einer Witwe mit einem ordentlichen Hof war immer schon eine beliebte Existenzgründungsmöglichkeit für Söhne, die nicht damit rechnen konnten, das väterliche Gut zu erben. In dem erfreulich detailreichen Heiratseintrag heißt es zur Herkunft des Bräutigams: „der bisherige Wirthschafter in Auerhof u. Sohn des köllm. Gutsbesitzers Joh. Christian Bergau in Georgenswald“. Ernst BERGAU bewirtschaftet fortan 186 Morgen cöllmisches Eigentum in Diewens. Die Familie BERGAU hält sich dort mindestens bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die 5 cöllmischen Höfe in Diewens werden zum Ende des 19. Jh. zu einem großen Gut zusammengelegt, welches von der Familie KROMPHOLZ geführt wird.

Ein weiteres größeres Gut im Besitz von Namensträgern BERGAU heißt Kringitten, auch im Kirchspiel Pobethen gelegen: 7 Hufen oder 475 Morgen, welche in den 1770er Jahren an einen Kischnick veräußert werden. Möglicherweise steht der Verkauf in Zusammenhang mit dem Besitzübergang an eine Nachfolgegeneration. Wenn kein Erbe die Verantwortung tragen wollte, den ererbten Besitz für die Erbauszahlung der Geschwister mit einem Kredit zu belasten, konnte ein Verkauf die Lösung sein.
Es wäre also denkbar, dass Jacob BERGAU in Sasslaucken und Johann Friedrich BERGAU in Weischkitten aus Georgenswalde oder aus Kringitten stammen. Beides bedarf noch genauer Recherchen, um die nötigen Belege zu finden. Falls keine Zusammenhänge erkennbar werden, müssen wir an anderen Orten weitersuchen.

Abschließend möchte ich noch Gedanken zur Herkunft des Namens zur Diskussion stellen: bei BERGAU denkt man ganz naheliegend an Berge und Auen, was vorschnell an Siedler aus deutschen Mittelgebirgslanden denken läßt. Ich vermute jedoch einen prußischen Ursprung. Ältere Schreibweisen in zufällig gesichteten Dokumenten verweisen meines Erachtens in Richtung der Ureinwohner Preußens: Bergaw, Bargaw, Bargowe.

Wie immer freue ich mich über Nachfragen oder Kommentare, nicht nur zu BERGAU, sondern zu allen hier genannten Namen und Zusammenhängen. Es gibt noch viele weitere BERGAUs im Samland, von denen ich Daten gesammelt, die ich jedoch noch nicht veröffentlicht habe, weil die Verwandtschaften (noch) unklar sind. Möglicherweise sind Ihre Angaben genau das fehlende Detail, um größere Zusammenhänge erkennbar werden zu lassen.

Hier findet man alle meine BERGAUs, die ich eindeutig verknüpfen konnte:
http://gw.geneanet.org/viktorh_w?lang=de&m=S&n=Bergau&p=

Anmerkungen:
*) die 5 Bauernhöfe in Weischkitten werden über viele Generationen seit dem 17. Jh. bis in die Neuzeit von den Familien Thalau, Schwill, Pokar/Pockahr bewirtschaftet. Daneben werden auch Besitzernamen genannt, die gelegentlich wechseln: Gronwaldt, Tischler, Timmler. Insbesondere die SCHWILLs haben sich in der Region zu einem schwer zu durchdringenden Geflecht ausgebreitet. Sie sind auch in Rudau, Michelau, Dollkeim, Rosehnen und Nautzau zu finden.

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