Genealogische Notizen

Familienforschung kann spannend sein wie ein Kriminalroman. Wir möchten Euch teilhaben lassen an den aufregenden Geschichten, die wir in Kirchenbüchern und Archiven ausgraben. Taucht ein mit uns in vergangene Epochen und rätselhafte Verwicklungen, historische Lebensumstände und die Geschichte einer Region, die es heute so nicht mehr gibt: das frühere Ostpreußen.

Montag, 12. Dezember 2011

Klagen des Melchior Supplieth aus Suppliethen 1685

Wie im vorhergehenden Beitrag angekündigt, bringe ich hier die Transkriptionen der Akte mit der Signatur GStAPK, XX. HA, EM126c Nr. 89 über die Klagen des Melchior Supplieth aus Suppliethen. Die Schreibweisen der Familien- und Ortsnamen sind in der zeittypischen Form belassen worden. Möge diese Aktenabschrift als Beispiel für die Vorgehensweise der Preußischen Verwaltung und Justiz im Jahr 1685 dienen. Zum Abschluß füge ich einige meiner Gedanken und Erläuterungen an.

Actum Grünhoff d. 2. Augusti ao 1685
Nach fundirter Commision wie Melchior Supplit seine bey Sr.Churfrl.Durchl. gemäß unterthänigstem Supplicato geführete Klagten über den Burggraff zu Grünhoff folgendermaßen specificiret:
Klaget Er daß der Burggraff ohngefehr vor 4 Wochen Ihme durch den Cämmer[er] und Hoffman vier Ochßen vom Felde, wie er nicht zu Hause gewesen, ohne einige weder zuvor noch zur selbigen Zeit angezeigten Ursach nehmen laßen, welche Ochßen annoch zu seinem großen Schaden vorhanden und im Ambte gehalten würden, und sey Ihm selbigen Tages der 5te Ochß verrecket ohnbedacht aus was Ursachen, doch dörffte Er einige Suspicion auff die Exemtanten deßfals haben. Hierauff antwortet der Burggraff daß Er diese Pfändung wegen des Supplitten dem Ambte bewiesenen Wiedersezlichkeit, Ungehorsambs u. desfals Ihme dictirten aber nicht erlegten 20 rthlr habe thun müßen, u. zwar, weiln klagend[er] Supplit erstl. in Pfingsten einem Pauren von Woidnicken Nahmens Jürgen Laschcki 4 Pferde auffm Wege weggenommen aus diesem Vorwand, daß selbige Ihme seine Wiesen abgefretzet, u. da Er Burggraff auff anhalten des bemeldeten Jürgen Loschcki solchen vorgegebenen Schaden sofort durch die Schulzen zu Gauthenen und Schnipcken(?) mit Andeutung dem Supplitten, daß Er hiebey erscheinen und den Schaden anzeugen solte, welches von ihm nicht geschehen, untersuchen u. schäzen laßen, da Schulzen aber, weder die Spuhr, wie ... die ausgeschrieene abfressung der Pferde in den Wiesen befunden, welches Burggraff mit … producirten Attest obgedachten Schulzen vom 11. Juny n.a. behaubtet. Habe Er dannenhero dem Supplitten anbefehlen laßen, die Pferde dem Pauren wiederzugeben, deme Supplitt gar nicht nachgekommen, besondern solche Pferde die ganze Pfingst Woche u. so lange bey sich behalten, biß Burggraff selbige durch AmbtsZwang vom Supplitten liberiren u. dem Eigenthümer zustellen laßen müßen.

Dann habe Supplit einem Weibe, so bey seinem Vater gedienet, u. der Zwistigkeiten halber, so Vater und Sohn Irentwegen gehabt auff Ambtsbefehl sein Hauß räumen müßen, welcher Sachen Er Burggraff daher an einem andern Orte hin bringen laßen, selbige Sachen auff offentlicher Straßen angehalten u. gewaltsahmerweise zurücke genommen, auch, da Burggraff hierauff judicialiter besage producirten Urtheil vom 15. Juny n.a. erkandt, daß Supplit solche Sachen ins Ambt zu liefern schuldig seyn solte.

Dem selben durch Vorenthalt- und nicht ein Liefferung selbiger contraveniret, welchen Ungehorsahm u. Unbefugniß Burggraff der Churfrl. Cammer berichtet, u. Schreiben wie vorgezeiget worden, darauf erhalten, daß Er deßhalben Supplitt mit 20 Rthlr Straaf innerhalb 8 tagen zu erlegen, belangen solte, So Burggraff auf gravia citatione des Supplitten, also bewerkstelliget und solche Straffe ihme im Ambte mündlich angedeutet.

Supplit negiret hierauff bey den ersten, daß Er bey Besichtigung der Wiesen nicht zuhause gewesen, und also nicht erscheinen können, der angegebene Schaden aber sey richtig u. hätten die Schulzen falsch attestiret. Daß andere gestehet Er zuvor doch solcher gestalt, daß Er erstlich Ursach hiezu gehabt, weiln daß Weib unterschiedliche Dinge von seines Vatern Haabseeligkeit entwand, welchen Er, ehe es in frembde Hände gerahten, u. also verhastiret werden möchte, hiedurch zuvor kommen wollen, Dann … … ...en … deßen, da die Sachen hätten abgeliefert werden sollen und nicht auff der Straße geschehen, u. auch auff dieser Ursach(?), daß Es selbig … Manne nicht mit gewesen, solche des Weibes Sachen anzunehmen. Bey dem dritten negiret Supplit die Andeutung der Straffe und habe hievon nichts gewust. Burggraff beruffet sich diesfals auff die Landgeschwornen Kupzaun und Mikanten, welche auff den Morgen den Tag umb Ihre Wißenschafft hievon abzustatten, zu erscheinen bestellet worden.

Wegen des 5ten verreckten Ochßens wundert sich der Burggraff, daß Er Supplit die executorer hier unter in Verdacht ziehen wil, zumahlen durch die Wegnehmung der andern 4 Ochsen, diesen einen solchen Zufall nicht verursachen können. Es ist dieses von den Hirten u. andern so Wißenschafft hierumb haben möchten, genauer zu erforschen auff den folgenden Tag deferiret worden.

Beschweret sich Supplit daß der Burggraff im verflossenen Vorjahr, Ihme von den mit den Pauern im gemenge habenden Pläzen Acker und Wiesen, durch die selbst gethane maaßstreckung einige Schu abgegrenzet, denen Pauern adjudiciret, und ihme solcher gestalt die Kürtze gethan, und seine Huben des Gütchen verschmälert.

Burggraff berichtet, daß die mit dem Supplitten zusammen grentzende Churfl. Pauren sich verschiedentlich bey ihm beschweret hätten, als wann der Suplit der Jüngere sich von Jahr zu Jahr allmählich in ihre Acker eindringe, ihre Hubenzahl verringerte, seine aber vermehrete, dannenhero sey Er genöthiget worden, daß Churfl. Interesse bey dero Pauren zu beobachten und mit Zuziehung der Landgeschwornen, einen Überschlag dero Pläze ingesambt vom gantzen Dorffe durch die maas zu machen, da sich dann befunden, daß der Supplitten Plätzen an Äcker, die mit der andern Freyen gleich seyn solte, breiter als deßelbigen und das mit dem Supplitten zusammen grentzenden Pauren Acker, so auch mit seinem direkt anstoßenden Nachbahren eine gleiche distanz haben müste, schmaller gewesen, des Supplitten Wiese auch, welche den Äckern gleich über liegen u. mit denen in einer gleichen Maas der Breite nach stehen solten, welches der Supplit selbsten annimbt, wohl drey Schwat breiter alß sein Acker gewesen, wannenhero Burggraff nicht anders gekont, als solchen fundament u. Maaße nach einen jeden daß seinige zuzuordnen u. wäre Supplit auch dahmahlen selbsten mit sothaner Eintheilung zufrieden gewesen.

Supplit negiret dieses, wie auch daß die Pauren sich bey dem Burggraffen über die abgrentzung beschweret hätten und fundiret sich auff die vieljährige ungestrittene Possession von verschiedenen Vorfahren her u. daß daher, so noch eine Ungleichheit zu finden seyn möchte, dieses alles schon prescribiret were.

Burggraff bittet die Pauren wegen der negirten Klagten zu verhörn, wie auch ds Sr.Churftl.Durchl. geruhen möchte durch einen geschworenen Landmeßer, der ohne dem Befehl erhalten, einige gewiße Maaßstreckung im Cammerambt Grünhoff vorzunehmen, Diese Zwistigkeiten zugleich entscheiden zu laßen, die Pauren zum Verhör auff Morgen ins Ambt zu betagen ist dem Burggraffen mitgegeben worden, wegen der Maaßstreckung excipiret Supplit, daß Er den Landmeßer pro parte zu contentiren keine GeldMittel hätte und wüste.
Sonsten hat Supplit noch verschiedene Klagten und postulata wieder den Burggraffen, aber so verworren und durcheinander vorgebracht, daß man sich darinnen nicht richten können, daher Ihme anbefohlen worden, alle seine Beschwerde schriftlich auffzusetzen und auff morgen punctatim einzureichen.
Der Akte beigeheftet: Melchior Supplitts Handschrift
1)Di weitschrift 2) Mein Buch 3) Der Kontracht 4) Den Hirsch fenger
5) Die Ochsen 6)Waß ich Mit der Arrest schaden gelitten 7) Di Unrecht
Außfendung 8) Di bienen 9) Di amtschriften Meinen Namen
waß Kammer Radschreiber hat wechgenommen
Melchyor Syppllytt


Actum Grünhoff d. 3. Aug. 85
Im heutigen dato erscheinen der Klagende Suplit, die Supplitische Pauren u. Hirte.

Supplit übergiebet beygehendes Zettelchen, darauf seine Klagten, so viel Er sich derer dieses mahl erinnern können, alle specificiret worden.

Die Landgeschwornen Kupzau und Mickait, welche Burggraff gestrigen Tages zu Zeugen, daß Er den Supplitten in ihrer Gegenwarth wegen vorhero angeführten Ungehorsams und Ursachen, die 20 Rthlr Straffe innerhalb 8 Tagen zu erlegen, zuerkant und ihme solches mündlich angedeutet, werden auff ihren Eyd und Gewißen befraget, ob Sie solches geschehen zu seyn gewiß wüsten, sagen aus, daß Sie dahmahlen im ambte zugegen gewesen u. dieses factum so wie es Burggraff nach allen Umbständen vorgebracht, mit ihren Ohren angehöret hätten, u. beyderseits bereit weren, solches wenn Es von ihnen begehret würde, mit einem Cörperl. Eyde zu erhalten, fügen auch weiter dabey an, daß dahmahlen der Supplit in der AmbtsStube sehr laut und unnütz gewesen und hätte es vielleicht mit Fleiß nicht hören wollen.

Supplit bleibet ungeachtet dieser Überzeugung constantissime bey seiner negation, wüste und hätte von keiner Straff gehöret.

Die Pauren außm Dorff Supplitten zeigen wegen der Grenzstreitigkeiten mit dem Freyen Melchior Suppliten auff Befragung nicht allein ein, daß Sie deßfals im Ambte geklaget u. die Übermeßung des Burggraffen auff ihr anhalten geschehen, besondern auch, daß Supplit dem ihme zunechst anstoßenden Pauren in etwas durch allmähliche abPflügung einige seiner Plätze abgegrentzet.

Supplit verneynet dieses und bleibet bey seinen vorigen Einwenden und Beybringen.

Wegen des dem Supplitten verreckten Ochßens geben der grünhöffsche Hoffman Grunau, der vorbemeldete Hirt und die Hirtsche diesen Bericht, daß der Ochße schon 8 Tage zuvor ehe die Pfändung der im anfange gedachten 4 Ochßen geschehen, krank gewesen und nicht freßen wollen, müßte einen innerlichen mangel gehabt haben, daran er verrecket.

Supplit kann sich deßen nicht erinnern, hätte es auch von seinen Leuthen nicht gehöret.

Weiln des Supplitten übergebene und oben angezogene Klagen puncta sehr kurtz und so beschaffen, das Sie Nothwendig einen Commentatoren erfordern, Ist Er selber von stük zu stük gehöret worden, und seine explication und des Burggraffen Antwort folgendes:

1. Die WeideSchrift. Dieses ist ein Curfrl. Rescript betr. der Dörfer Supplit, Cantrinen, Pertellnick und Watnicken Viehe Weide, so Lorenz Göbel ihnen disputirlich gemacht, Sr. Churfl. Durchl. aber es jenen zuerkant Sub dato Königsbg. d. 8 Aug. ao 63 welches original Supplit, weiln es ihme mit anginge und auß wirken hette, vom Ambte zurück begehret. [Suppliethen, Kiautrienen, Perteltnicken, Wartnicken (später umbenannt in Watzum)]
Burggraff saget, daß Er dieses, weiln es ihme nicht alleine, sondern auch andern Churfrl.Dörffern concernirete, mit Fleiß in der AmbtsRegistratur vorsehrlich auffgehoben und daselbst bey zu behalten vernünftig befinde.
Welches also entschieden, daß dem Supplitte davon genugsahme vidimirte abschrift gegeben.

2. Mein Buch. Soll die alte Pr. Chronica seyn, so Supplit aus dem Ambte wiederbegehret. Burggraff berichtet, daß dieses Buch wegen zwischen dem alten Supplitten deme es zugehöret, und dem Sohne, der es vom Vater weggenommen und nicht wieder geben wollen, großer Streit entstanden und dem Ambte geklaget worden, welchen zu heben Er ds Buch dem Ambte einzuliefern anbefohlen, welches wie es geschehen sey eben dazumahl der Wiltnisbereiter Abt im Ambte zugegen gewesen und habe es dem Supplitten auf eine Zeit abgelehnet [ausgeliehen].
Der alte Supplit saget der WiltnisBereiter Abt habe ihm wie einen guten Freund nicht groß darumb angesprochen, sondern untern Arm genommen und sey damit weggegangen.
Burggraff nimmet über sich diese chronica dem Supplitten von dem Abte innerhalb 8 Tagen wieder zu verschaffen.

3. Den Contract. Hiemitt hatt es diese Bewandnüs, Es ist der alte Supplit eines Medchens Barbara Plaumann Vormund geworden u. hatt dieses Documentum so eine TheilungsSchrifft ist wegen des CrantzKruges bemeldter Plaumann concernirende in Händen gehabt, welches Er, weiln man Ihn seines hohen Alters halben der Vormundschafft überhoben, die bemeldete Persohn auch bereits majorennis worden, dem Ambte zugestellet, von welchem Er auch gnugsahmen Schein u. Quitung darüber wie vorgewiesen word. überkommen.

Der junge Supplit giebet hiebey vor, die vorgedachte Plaumannin hätte ihn, wie einen nahen Verwandten zum curatoren erwehlet u. müste derohalb diese Schrift haben.
Der alte Supplit saget, daß Es denn gantz und gar nicht also sey u. sehe diese Plaumannin viel lieber, daß Sie seines Sohnes angebohtene Dienste vielmehr entübriget, als damit belästiget werden möchte.
Damit dem Klagenden Supplitten auch hierunter gefüget werden möchte, ist gewilliget worden, Ihme von dieser Schrift vidimirete Abschrift zu geben.

4. Den Hirschfänger. Dieses ist wegen der Uneinigkeiten des Vaters und des Sohnes zu Verhüttung Schlägerey und Unheils ins Ambt genommen, aber diesesmahl, damit auch desfals ihme die Ursach, zu weitern Klagen benommen werden möchte, wieder zugestellet worden.

5. Den Ochßen. Supplit berichtet hievon, daß der Burggraff ihme vor 4 Jahren einen Ochßen nehmen laßen, wüste aber nicht warumb, ohne ds Er von selbigen 4 mk aus dem Ambte zurück bekommen.
Burggraff kan sich deßen, bemercket, es eine lange Zeit u. von dem Supplitten verschiedenes Viehe, bald wegen AmbtsSchuld, bald wegen Straffe und andern Ursachen, ins Ambt gebracht werden müßen, nicht erinnern.
Supplit befraget, wer von Ihme dann diesen Ochßen weggeholet, weiß keinen, weiln er es vergeßen zu nennen.
Dem AmbtsCämmer fället so viel bey, daß vor einigen Jahren vom Supplitten ein Schwarzer Ochße mit einem weißen Kopffe, wegen Schlägerey so deßen Vater mit einem Schneider vorgehabt … u. vom Supplitten desfals 6 mk zurück gekehret worden sey.
Der Burggraff findet in den Rechnungen, daß Er wegen Schlägerey mit dem Schneider 15 mk Straff vom Supplitten zur einnahm gebracht u. könnte woll seyn daß Er deßfals diesen Ochßen nehmen laßen und die nach der taxa überschießende 6 mk dem Supplitten aus gezahlet.
Gürge Loschcke Pauer von Biduncken(?) erinnert sich daß Er einmahls einen Ochßen von Supplitten geholet, so darumb geschehen, daß Er 1 paar Pistolen, so von des Supplitten verstorbenen … dem Jürgen Redut gegeben, auffs Ambt Befehl nicht habe außfolgen wollen, kann also hierunter weder von einen noch dem andern Theil eine Gewißheit determiniret werden.

6. Was ich mit dem Arrest Schaden gelitten. Dieses soll darinnen bestehen, daß man Ihn Supplitten offters im Ambte in Arrest, auch wol zu 2 Tage lang, seinem Vorgeben nach, ohne Ursach behalten, wodurch Er nicht weniges versäumen und Schaden nehmen müßen.
Burggraff verneinet zuvor seine offtere Verarrestirung nicht, doch sey es niehmahlen ohne sonder bahre Wichtigkeit, am meisten aber wegen Schlägerey und Klagten des Vaters über den Sohn geschehen, welches der Supplit selbsten nicht in Abrede seyn könne.

7. Die Unrechte Auspfändung. Hat diese Beschaffenheit, daß man Ihme Supplitten vor 2 Jahren 1 Ochßen und 1 Strenze u. vorm Jahr aber mahl einen Ochßen gepfändet, die Er zuvor wieder bekommen, aber auch teuer genug einlößen müßen.
Indem Er wegen des ersten 1 Thonne Bier, so sein Vater aus dem Ambte genommen u. weggeschencket, bezahlet, wegen des andern gewiße Quirl(?)gelder und des 9sten halber einige Straff darumb, daß Er auff eine Collation Bier anderwerts u. nicht aus dem Ambte genommen, zu erlegen angehalten worden.
Burggraff beziehet sich deßfals auff des Supplitten eigene Bekäntniß und angeführten Ursachen, woraus erhelleten, daß Er solches Zuthun Ambts wegen gehalten gewesen.

8. Die Bienen. … wegen hätte Er diese Besch... das wie Er unlängst nach Königsbg. umb seine Klagten Sr. Churfrl.Durchl. vorzustellen u. diese Commission auszubitten einige Reisen gethan, hätte unterdeßen einige seiner Bienen geschwalmet, welchen Er, weiln Sie keiner in Acht genommen, quit gehen müßen.
Wie dem Burggraffen hievon nichts wißend, also achtet Er auch, weiln einjeder von selbsten gar leicht abnehmen könte, weme die Schuldt hierunter beyzumeßen, vor unnöhtig, hier vor viel antworten zu machen.

9. Was Cemmer und Schreiber hat weggenommen. Bestünde darinnen, daß diese Ihme etliche mahl gewiße victualien an getreyde und andern genommen, und dem alten Suppliten, seinem Vater gegeben.
Burggraff saget daß dieses ad instantiam seines alten u. unvermögenden Vaters, welcher geklaget, daß der Sohn ihme den schuldigen Unterhalt und die LebensMittel entzogen, geschehen, welchen AmbtsZwang ihme nicht versagen können.
Supplit verabredet dieses zwar nicht, doch erinnert Er dabey, daß bemeldte Executores herunter excediret und sich selber davor was zugeeignet. Burggraff weiß davon nichts, sagende, wenn Supplit zu solcher Zeit daßjenige angezeiget, were ihm kein Rechtspfleger versaget worden.

Über vorgemeldetes klaget Supplit über den Burggraffen noch weiter, daß innerhalb 3 Jahren alle Rechtspflege im Ambte sey versaget worden. Supplit wird ersuchet, solches zu specificiren und einige gewisse Casus zu benennen, entschuldiget sich aber, daß Ihm itzo keine beyfallen wollen.

Endlich bricht Er hervor u. berichtet, daß Er weder vor Jahren noch dieses Jahr die wegen gewißer verursachten Schaden in seinen Wiesen gesuchte Besichtigungen vom Burggraffen habe erhalten, noch der Landgeschwornen dazu habhafft werden können.

Burggraff nimmt diese Beschuldigung, deßen Ihn noch niemand so lange er in Churfl. Diensten gewesen, bezüchtiget, noch nicht Recht wird bezüchtigen können, pro atrocissima injuria auff, behält sich sein Recht dawied[er] bevor … , umb solches wieder den Supplitten auszuführen, bey Sr.Churfrl.Durchl. umb assistentiam Fisci anhalten, bittet ferner die Landgeschwornen, so zugegen, darüber zu vernehmen.

Die Landgeschwornen Johann Reicherd u. Michel Mackait hierumb befraget, vermelden und sagen dem Supplitten unter die Augen, daß Sie vorm Jahr wol 10 mahl u. dieses Jahr verschiedentlich, auch nun vor 14 Tagen Schlägerey halber in gewißen Besichtigungen beym Supplitten gewesen.

Supplitt excipiret dagegen daß es nicht ad sui instantiam sondern anderer Leuthe geschehen. Die Landgeschwornen verscheidigen daß contrarum dagegen.

Worauff Supplit selbige graviret, daß sie nichts anders thun müsten und redeten, als was der Burggraff haben wolte, sprechen auch nicht nach Recht sondern nach des Burggraffen Willen.

Die Landgeschwornen beklagen sich über solche injurien, bitten unterthänigst Sr.Churfl.Dhl. wolte geruhen, Sie in ihrem Ambte herwieder zu schützen u. solches an dem Supplitten zu ahnden, sonsten würden sie genöhtiget werden, daßelbe in foro conte … zu suchen.

Supplit wil diese Klagten und Bezichtigungen behaubten, mit vorher angeführten Weitinickschen Pauren Loschki Sache, welchen Er 4 Pferde gepfändet und restituiren müßen. [hier ist der Ort Woytnicken gemeint]

Burggraff berufet sich auff daß jenige, was vorhero desfals angeführet u. daß Er die Besichtigung, weiln es in den Heil. Pfingst Tagen geschehen, auff anhalten des Pauren Loschcki durch die Schulzen thun laßen, vermeinend woferne ja Supplit einige Untersuchung solte gesuchet haben, müßte es als dann erst, zumahlen Er vorhero selbsten gestanden, daß Er nicht zu Hause gewesen, geschehen sey, wie nicht mehr resintegra(?) gemessen(?).

Weiter führet der Supplit obiges zu defendiren an, daß ao 84 eines Pauren Nahmens Bartell Gottfried Kühe, Ihme in seinem Haberfelde Schaden gethan u. obgleich selbige Kühe gepfändet, habe Er sie doch dem Pauren auff befehl des Burggraffen ohne Untersuchung und Rechtspflege loßgeben müßen.

Burggraff bringet dagegen bey, daß der Pauer Gottfried, wie seine Kühe gepfändet gewesen, so fort zu ihme gekommen sey, u. des Suppliten eigenen Knecht mitgebracht habe, mit selbigen erweisende, daß der Schade von keiner importans u. nicht 8 gr auffs Höchste zu schätzen. Dan auch, daß nicht Er, sondern der Hirte daran Schuld habe, welcher im Zuhause treibung des Viehes diese Kühe austreten laßen, dahero auch nicht Er, sondern der Hirte zu Bezahlung des Schadens gehalten werden müste. Hierauff nun hätte er dem Pauren seine Kühe zu extradiren befohlen und 12 g Futtergeld dem Supplitten zu erlegen zuerkandt, welches Er mit dem Ambtsprotocoll also erwiesen, wie aber Supplit nicht zufrieden gewesen, habe Er einen AmbtsBefehl an die Landgeschworenen dem Supplitten ertheilet, daß Sie diesen vorgegebenen Schaden besichtigen und schätzen solten, dem Suppliten auch dabey genugsahme Satisfaction von dem Hirten mündl. Versprochen, welches Er mit gedachten Befehl vom 31. Juli ao 84, so Supplit selbsten produciret, dargethan.

Supplit vermeinet Ihme hierunter ungleich geschehen zu seyn, weiln Er sich nicht an den Hirten, sondern an die Kühe so ihm Schaden gethan, und ihrem proprietaris zuhalten hätte.

Noch klaget der Supplit, daß, wie er vorm Jahr gewiße Ziegelfuhren von Königsbg. nach Pobehten nebst andern nachbahrn verrichten müßen, 2 Pauren von Mayotten(?) dahmahlen ausgeblieben u. Sie damit die Ziegel nicht zu Königsberg liegen bleiben möchten ein ieder 50 st. mehr alß wie ihnen obgelegen, auffgeladen u. also die Fuhren vor die Mayoter verrichtet, Sie solches den Burggraffen angezeiget und umb Satisfaction gebehten, da habe zwar der Burggraff beyde Majotter jeden auff 3 mk auspfänden laßen und solches Geld ihmen vor gemeldete Fuhre zugesaget, bald aber darauff das Geld den Majotern wieder looß gegeben und ihn bis hieher desfals unvergnüget gelaßen.

Burggraff gestehet dieses alles, doch mit dem Anhange, daß Er daß gepfändete Geld nicht schlechter dings, sondern auff der Majotter und die die Ziegelfuhren vor Sie verrichtet, eigen bericht, wie sie unter sich im Beyseyn des Kirchenvaters Berbers (Biebers?) derogestalt sich verglichen, daß die Majotter ins Künftige andere Fuhren, vor Sie desfals über sich nehmen solten u. wolten, loosgegeben, welches die Interessenten von beyden Theilen zugegen also einzeigen[einzeugen] u. damit zu frieden.

Supplit aber wil hiebey nicht aequiesciren, weiln Ihm seyn Fahrzeug dahmahlen in Stücken gegangen, die Nachbahrn so mit geführet, sagen es wäre des Supplitten Freye Wille gewesen, das Er diese 50 st mehr auffgeladen, u. wäre seyn Fahrzeug außer dem woll entzwey gerißen.

Endlich befindet sich der Supplit noch graviret über ein Testament, so ein Freye Nahmens Werdermann, welcher seines Vatern Schwester zur ehe gehabt, zu sambt dieser auffgerichtet und solcher gestalt hinterlaßen, daß der alte Supplit und ein anderer Werdermann ihre Verlaßenschaft zu gleichen theilen erben solten, doch also, daß daß Cölmische Gütchen Laukenicken dem Werdermann verbleibe u. d. Supplit ausgezahlet werden solte; dann über den Contract .. des Gütchens halber im Ambte mit dem … getroffen, und über die inventation der Mobilien, weiln er jenes zu gering angeschlagen und in diesen verschiedene Stücke verschwiegen zu seyn vorgiebet, auch die Naheit zu dem Gütchen vor den Werdermann praetendiret.

Burggraff beziehet sich wegen posses des Gütchens Lauckenicken vom Werdermann auff die ausdrückliche Worte gemeldeten Testaments, wegen des praetii selbigen Gütchens auff einen alten Contract gemees welchen es d. testator Werdermann bey guter Zeit an sich genommen und in gleicher parität u. diesem Erben zugeschlagen worden, u. wegen inventation der Mobilien, daß der MitErbe Werdermann den Schicht Eyd darüber zu praestiren sich allemahl erkläret, zu welchem Er sich auch anietzo offeriret.

Supplit weiß auff Befragen die verschwiegen zu seyn vermeinende Mobilien nicht nahmhafft zu machen, dagegen praetendiret Werdermann, daferne Er den Schicht Eyd thun solte, von dem Supplitten ds juramentum collationis, weiln Er in gewiße Erfahrung kommen, daß Ihme vorhero aus der Erbschafft verschiedene Stücke an Silber, Leinen und andere Sachen zugewandt worden. Man hat sich zwar bemühet einen Vergleich u. Vereinigung unter diese zu treffen, allein der Supplit, da doch sein Vater der Rechte Erbe und mit aller Verhandelung zuvor zufrieden gewesen, auch anitzo desfals nichtes zuwieder sprechen hat, bleibet ge.... auff seine vermeinte praetensiones und hat sich zu nichtes bequemen wollen, dannenhero man ihn ans Recht verwiesen.

Nach geendigter Commission und wie Wir gleich nach Hause zu fahren auffsitzen wollen, findet sich der Supplit auffs Neue ein, u. giebet vor die mit Ihm grentzende Pauren hätten vorgegeben, sie wüsten von keiner Verkürtzung ihrer Äcker und Wiesen und daher ihn gebehten bey der Commision anzuhalten, daß Es doch bey dem alten, wie es vor des Burggraffen gemachten Eintheilung gewesen, verbleiben möchte. Ob man nun wol dem Supplitten, aus der Pauren vorig gethanen außagung ein anderes remonstriret, ist er doch nicht zu bedeuten gewesen. Daher mag genöthiget worden die Pauren wieder vorfordern zu laßen, selbige aber, wie sie erscheinen verwundern sich über das Suppliten Vorbringen, und ist keiner der ds geringste davon wißen will. Auß welchem mehr alß zuviel das Supplitten seltsames Gebaren abzunehmen.
Actum im Cammerambt Grünhoff anno ct die ut supra
Bernhard Radzki        Samuel Linck

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Durchlauchtigster Großmächtigster Churfürst,
gdster Herr pp
Gdster Herr, Gott im Himmel weiß, auch der Burggraf kan nicht anders auffassen, daß ich wen alles den(m) meinigen gekommen und wegen der Dürftigkeit so mich leyder ! betr.. fast verzagen muß, flehe dennoch zu E.Churfl.Dhl. Gnaden … , umb Gottes Willen bittende benante obige Strafe mir gdst zu erlaßen, damit ich mich ….... … gantz auß meiner Haußhaltung gesetzet ./. wieder …. , und meinen Vater den schuldigen Unterhalt dar... möge. Worüber … gdste Erhörung
E.Churfl.Dhl.
Unterthänigster
Melchior Supplitt          prstm d 10 August 1685
[sehr flüchtige, schnell hingeworfene Schrift, kaum zu lesen; vermutlich Abschrift eines Originals]


Friedrich Wilhelm, Churfürst p.
Lgetr. [Liebe Getreue] Uns ist die Commissorialische Relation des Freyen Melchior Supplitten wieder Dich und die Landgeschwornen geführte Klagten auch Deine und ihre darauff gethane Verantwortung betreffend, nebst Deinen und und der Landgeschwornen unterthänigster Supplicato fürgetragen worden, woraus Wir vernommen, daß bemeldeter Supplitt ungegründete Dinge angegeben habe, hingegen vieler Unbefugniße überführet sey. Nun mochte er wol dadurch eine Beahntung, wie Du nebst den Landgeschwornen demütigst darumb bittest, verdienet haben, zumahl da er auff seinen eigensinnigen Kopff bestehet und keine Weisung annehmen wil: weil er aber daneben einfältig und ohne das bey schlechten Mitteln ist, so wollen Wir bey der vorhin ihme dictirten Straffe der zwanzig Thlr und der ihme gefundenen Erstattung der Zwanzig Mk 30g veruhrsachter Unkosten es bewenden laßen, Dir gdst befehlende, daß Du ihme zur Zahlung solcher beyden posten einen Terminum ansetzest und, so er denn damit säumig seyn würde, selbige mit behörigem Nachdruck beytreibest.

An Burggrafen zu Grünhoff
wegen Melchior Supplitten, Freyen, geführter Klagten
d 10. Octob. 1685
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Bei ersten Lesen der Akte war ich irritiert: worum geht es hier eigentlich? Ein persönlicher Rachefeldzug mit gehörigem Machtmißbrauch des Amtmanns in Grünhoff (in dieser Zeit Burggraf genannt) gegen einen renitenten Gutsbesitzer? Oder ist der Melchior Supplitt junior einem Wahn anheim gefallen, daß die ganze Welt nur zu seinem Schaden agiert und er sich rigoros verteidigen muß? Oder ist Melchior nur ein notorischer, aber dummer Lügner? Was läßt den Sohn eines ansonsten anerkannten und geachteten Kirchenvorstehers zu solch einem "Kotzbrocken" werden? Warum gibt es zeitweilig Krieg und Kampf "bis aufs Messer" zwischen dem auf seinem Altenteil lebenden Vater und dem das Gut führenden Sohn?

Nach mehrfachem Lesen und gründlicher Transkription der alten Handschriften frage ich mich, wie Melchior Supplitt jun. so wurde, wie er hier dargestellt wird. Die Curfürstlichen Räte in Königsberg urteilen: "zumahl da er auff seinen eigensinnigen Kopff bestehet und keine Weisung annehmen wil: weil er aber daneben einfältig". In den Augen der Obrigkeit handelt Melchior nicht bewußt und berechnend, sondern einfältig. Die meisten seiner Behauptungen und bösen Anschuldigungen fallen in sich zusammen, wenn man die Zeugenaussagen der anderen Beteiligten hört. Aber dann sagen die Zeugen eben falsch aus, sind beeinflußt - meint Melchior in halsbrecherischer Sturheit.

Curfürst Friedrich Wilhelm
von Brandenburg
Herzog von Preußen
1620 - 1688
In diesem Verfahren ist man Melchior so weit wie möglich entgegen gekommen. Das nahezu wahnhafte Festhalten an seinen Behauptungen und die damit verbundenen heiklen Unterstellungen zu Lasten der höherrangigen Beteiligten (die Landgeschworenen, der Burggraf des Amtes Grünhoff, die Königsberger Commissarii) hätten ihn bei strenger Anwendung damaliger Rechtsgepflogenheiten in sehr ernste Schwierigkeiten bringen können. Denn alle zum Ende des Verfahrens vom ihm erneut Beschuldigten haben diese ehr- und würdeverletzenden Unterstellungen im Nachgang zu diesem Verfahren zur Anzeige gebracht und um ordentliche Bestrafung gebeten. Melchior hat hier sozusagen Stellvertreter der Landesherrschaft völlig haltlos grober Amtsverletzungen beschuldigt. Mithin handelt es sich bei diesen Beleidigungen auch um eine Beleidigung der Landesherrschaft, hier also des "Großen" Churfürsten Friedrich Wilhelm in Berlin und da hört gewöhnlich der Spaß auf und beginnt die Staatsraison.

Melchior wird erstaunlicherweise nur zur Ableistung seiner bereits vor dieser Untersuchung festgestetzen Strafe von 20 Thalern (wegen seiner Widersetzlichkeiten) und der Erstattung der Kosten des Verfahrens "verdonnert". Nach damaliger Wertigkeit zwar eine deftige Geldstrafe - aber die Sache wäre viel schlimmer für Melchior ausgegangen, wenn die preußischen Juristen weniger menschliches Augenmaß bewiesen hätten.

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