"Komasaufen" in Kaimen
Eintrag des Pfarrers zu Caymen im Kirchenbuch 1737:
>> Hat sich der betrübte und entsetzliche Casus alhier zugetragen, daß der Cöllmische Krüger von Wilditten Georg Duhm einziger Sohn [Gabriel DUHM, *16.07.1703, + 16.12.1737], da er nebst anderen Freyen Söhnen in der Mühle zu Caymen gewesen und leider die Nacht über mit Sauffen zugebracht, auch über das noch des Morgens ein gut Theil Brandwein zu sich genommen, so daß er darauf am Tisch entschlafen geworden und alß schlafend ins Bett getragen werden müßen, bald darauf, da man ihn hat aufwecken wollen, gantz todt gefunden hat, so daß man nicht wißen kann, was eigentlich die Ursach seines Todes gewesen.<< (Kaimen ist die neuzeitliche Schreibweise, Caymen die traditionelle alte Variante. Der Ort liegt im östlichen Samland, auf dem Weg von Königsberg nach Labiau.)
Dieses betrübliche Ereignis führt dazu, daß das Duhmsche Gut in Wilditten (4 Hufen = 65 Hektar mit eigener Krug/Braugerechtigkeit) nicht mehr in der Familie gehalten werden kann und mit dem Tod des Georg DUHM 1743 an dessen Schwiegersohn Siegmund BEHREND übergeht.
Die Mühle in Caymen gehört 1737 Christoph FRÖHLICH. Die Mühle in Bothenen gehört seinem Bruder Christian FRÖHLICH und der ist mit Anna Maria DUHM, der ältesten Schwester des oben beklagten Todesopfers verheiratet. Man trifft sich zu diesem Saufgelage in der Mühle wahrscheinlich im weiteren Familienkreis: „da er nebst anderen Freyen Söhnen in der Mühle zu Caymen gewesen ...“ ist hier so zu lesen, daß Gabriel DUHM mit seinen Standesgenossen getrunken hat, also mit Söhnen von anderen Freyen, die aber höchstwahrscheinlich alle weitläufig untereinander verwandt sind, weil man über Jahrhunderte strikt nur innerhalb des eigenen Standes heiratet. Die Getränke für diese durchzechte Nacht kommen vielleicht aus dem Elternhause des Verstorbenen, dem Kruggut in Wilditten. Im Jahre 1737 fällt der 15. Dezember auf den 3. Adventssonntag. Die durchzechte Nacht endet am Montagmorgen mit der schrecklichen Entdeckung, daß einer der Beteiligten nicht mehr erwacht.
Die Familienkonstellation gibt zu Spekulationen Anlaß: warum ist der einzig noch lebende Sohn und Erbe des einträglichen Krugguts in Wilditten mit 34 Jahren noch nicht verheiratet? Ist dieses unglückliche Ereignis eine traurige Ausnahme und ein Unglücksfall oder ist Gabriel DUHM, verführt durch das ständige häusliche Angebot, ein Gewohnheitstrinker, der in jener Nacht das verträgliche Maß überschritten hat? Läßt ein dominanter Vater die Eigenentwicklung des Sohnes nicht zu, der sich deswegen in den Trunk flüchtet und keine Heiratsabsichten verwirklichen kann, während seine beiden Schwestern schon lange „unter die Haube“ gebracht sind? Gilt es vielleicht schon als ausgemacht, daß er den Hof nicht erbt, sondern der möglicherweise fähigere Mann seiner jüngsten Schwester (Heirat 1734)? War der Todesfall vielleicht kein Unfall, sondern eine Art Selbstmord aus Verzweiflung und mangelnder Lebensperspektive? Was waren die Gründe für dieses Familiendrama?
Ein Frey ist im damaligen Sprachgebrauch ein Grundbesitzer, der aufgrund seiner ökonomischen Unabhängigkeit und der mit dem Besitz verbundenen Privilegien niemandes anderen Untertan, also „frei“ ist. Sie unterscheiden sich vom Adel dadurch, daß mit ihrem Besitz kein Patronatsrecht und keine eigene Gerichtsbarkeit verbunden ist. Nur selten übersteigt die Besitzgröße von sogn. cöllmischen Freygütern die 100-Hektar-Grenze, während adelige Güter oft wesentlich größer waren. 3 bis 4 Hufen, also 50 – 65 Hektar, ist eine häufig anzutreffende Standardgröße für cöllmische Höfe, von der man offenbar ganz gut leben kann.
In Wilditten gibt es bis in die Neuzeit nur 2 Höfe mit jeweils 4 Hufen, die sich sonst nur durch die seit alten Zeiten privilegierte Krug/Braugerechtigkeit des einen Hofes voneinander unterscheiden.
Die Besitzerfolgen auf dem Duhmschen Gut, soweit bisher bekannt :
(die Jahreszahlen beziehen sich auf die Lebensdaten der Besitzer)
1.Gabriel DUHM, um 1650
2.Georg DUHM, 1674 – 1743 (Sohn des Gabriel)
3.Siegmund BEHREND, 1707 - 1752 (Schwiegersohn)
4.interimistisch Johann Reinhold KADGIEHN ab 1753 als 2. Ehemann der Catharina Barbara DUHM
5.Johann Christoph BEHREND, 1743 -1785 (Sohn des Siegmund, hat keine Söhne, nur Töchter)
6.Daniel Siegmund HENNIG, 1766 - 1821(Schwiegersohn)
7.Johann Christoph HENNIG, 1806 – 1876 (Sohn des Daniel Siegmund)
8.Heinrich August HENNIG, 1843 – 1893 (die Witwe verkauft den Hof 1893 an einen Verwandten)
Die Besitzerfolge auf dem Nachbarhof in Wilditten:
1.Merten vom Berge 1528 (Quelle: Erneuerung der Besitzverschreibung 1528)
- Generationenfolge zwischenzeitlich unklar -
2.Albrecht von Bergen (v. Berg, v.Berge) vor 1600
3.Albrecht von Bergen um 1600
4.Albrecht von Bergen gestorben um 1660-65 (Sohn, Vater u. Großvater gleichen Namens werden in einem amtlichen Dokument erwähnt)
5.Johann THIEL, gestorben zwischen 1696-99 (Schwiegersohn des Albrecht v.Bergen)
6.interimistisch Johann SANTRAU als 2. Ehemann der Catharina Agnes v.Bergen bis 1732
7.Friedrich Siegmund THIEL, 1693 – 1780 (Sohn des Johann THIEL) Friedrich Siegmund THIEL hat 4 Söhne. Es ist zeitweise nicht ganz klar, wer von ihnen die Nachfolge übernommen hat. Möglich erscheinen :
8.Carl Gottlieb THIEL 1745 – 1808
9.(und/mit Daniel Reinhold THIEL * 1751- ?, er taucht aber nach dem Tod seiner Ehefrau Helena Dorothea PETERSON 1767-1800 nicht mehr im Kirchspiel Caymen auf)
10.Carl Gottlieb THIEL *1778, Sohn von Carl Gottlieb THIEL sen.
Von Carl Gottlieb Thiel jun. sind nur noch 2 Töchter *1810 und *1813 bekannt. Mehr ließ sich noch nicht im KB Caymen finden. Der Fortgang der Besitzerfolge ist noch unklar.
Zur Ortschaft Wilditten siehe auch den Aufsatz über die Familie v.Bergen.
Wie immer freue ich mich über Nachfragen und Kommentare zu allen hier genannten Familien und Sachverhalten.
>> Hat sich der betrübte und entsetzliche Casus alhier zugetragen, daß der Cöllmische Krüger von Wilditten Georg Duhm einziger Sohn [Gabriel DUHM, *16.07.1703, + 16.12.1737], da er nebst anderen Freyen Söhnen in der Mühle zu Caymen gewesen und leider die Nacht über mit Sauffen zugebracht, auch über das noch des Morgens ein gut Theil Brandwein zu sich genommen, so daß er darauf am Tisch entschlafen geworden und alß schlafend ins Bett getragen werden müßen, bald darauf, da man ihn hat aufwecken wollen, gantz todt gefunden hat, so daß man nicht wißen kann, was eigentlich die Ursach seines Todes gewesen.<< (Kaimen ist die neuzeitliche Schreibweise, Caymen die traditionelle alte Variante. Der Ort liegt im östlichen Samland, auf dem Weg von Königsberg nach Labiau.)
Dieses betrübliche Ereignis führt dazu, daß das Duhmsche Gut in Wilditten (4 Hufen = 65 Hektar mit eigener Krug/Braugerechtigkeit) nicht mehr in der Familie gehalten werden kann und mit dem Tod des Georg DUHM 1743 an dessen Schwiegersohn Siegmund BEHREND übergeht.
Die Mühle in Caymen gehört 1737 Christoph FRÖHLICH. Die Mühle in Bothenen gehört seinem Bruder Christian FRÖHLICH und der ist mit Anna Maria DUHM, der ältesten Schwester des oben beklagten Todesopfers verheiratet. Man trifft sich zu diesem Saufgelage in der Mühle wahrscheinlich im weiteren Familienkreis: „da er nebst anderen Freyen Söhnen in der Mühle zu Caymen gewesen ...“ ist hier so zu lesen, daß Gabriel DUHM mit seinen Standesgenossen getrunken hat, also mit Söhnen von anderen Freyen, die aber höchstwahrscheinlich alle weitläufig untereinander verwandt sind, weil man über Jahrhunderte strikt nur innerhalb des eigenen Standes heiratet. Die Getränke für diese durchzechte Nacht kommen vielleicht aus dem Elternhause des Verstorbenen, dem Kruggut in Wilditten. Im Jahre 1737 fällt der 15. Dezember auf den 3. Adventssonntag. Die durchzechte Nacht endet am Montagmorgen mit der schrecklichen Entdeckung, daß einer der Beteiligten nicht mehr erwacht.
Die Familienkonstellation gibt zu Spekulationen Anlaß: warum ist der einzig noch lebende Sohn und Erbe des einträglichen Krugguts in Wilditten mit 34 Jahren noch nicht verheiratet? Ist dieses unglückliche Ereignis eine traurige Ausnahme und ein Unglücksfall oder ist Gabriel DUHM, verführt durch das ständige häusliche Angebot, ein Gewohnheitstrinker, der in jener Nacht das verträgliche Maß überschritten hat? Läßt ein dominanter Vater die Eigenentwicklung des Sohnes nicht zu, der sich deswegen in den Trunk flüchtet und keine Heiratsabsichten verwirklichen kann, während seine beiden Schwestern schon lange „unter die Haube“ gebracht sind? Gilt es vielleicht schon als ausgemacht, daß er den Hof nicht erbt, sondern der möglicherweise fähigere Mann seiner jüngsten Schwester (Heirat 1734)? War der Todesfall vielleicht kein Unfall, sondern eine Art Selbstmord aus Verzweiflung und mangelnder Lebensperspektive? Was waren die Gründe für dieses Familiendrama?
Ein Frey ist im damaligen Sprachgebrauch ein Grundbesitzer, der aufgrund seiner ökonomischen Unabhängigkeit und der mit dem Besitz verbundenen Privilegien niemandes anderen Untertan, also „frei“ ist. Sie unterscheiden sich vom Adel dadurch, daß mit ihrem Besitz kein Patronatsrecht und keine eigene Gerichtsbarkeit verbunden ist. Nur selten übersteigt die Besitzgröße von sogn. cöllmischen Freygütern die 100-Hektar-Grenze, während adelige Güter oft wesentlich größer waren. 3 bis 4 Hufen, also 50 – 65 Hektar, ist eine häufig anzutreffende Standardgröße für cöllmische Höfe, von der man offenbar ganz gut leben kann.
In Wilditten gibt es bis in die Neuzeit nur 2 Höfe mit jeweils 4 Hufen, die sich sonst nur durch die seit alten Zeiten privilegierte Krug/Braugerechtigkeit des einen Hofes voneinander unterscheiden.
Die Besitzerfolgen auf dem Duhmschen Gut, soweit bisher bekannt :
(die Jahreszahlen beziehen sich auf die Lebensdaten der Besitzer)
1.Gabriel DUHM, um 1650
2.Georg DUHM, 1674 – 1743 (Sohn des Gabriel)
3.Siegmund BEHREND, 1707 - 1752 (Schwiegersohn)
4.interimistisch Johann Reinhold KADGIEHN ab 1753 als 2. Ehemann der Catharina Barbara DUHM
5.Johann Christoph BEHREND, 1743 -1785 (Sohn des Siegmund, hat keine Söhne, nur Töchter)
6.Daniel Siegmund HENNIG, 1766 - 1821(Schwiegersohn)
7.Johann Christoph HENNIG, 1806 – 1876 (Sohn des Daniel Siegmund)
8.Heinrich August HENNIG, 1843 – 1893 (die Witwe verkauft den Hof 1893 an einen Verwandten)
Die Besitzerfolge auf dem Nachbarhof in Wilditten:
1.Merten vom Berge 1528 (Quelle: Erneuerung der Besitzverschreibung 1528)
- Generationenfolge zwischenzeitlich unklar -
2.Albrecht von Bergen (v. Berg, v.Berge) vor 1600
3.Albrecht von Bergen um 1600
4.Albrecht von Bergen gestorben um 1660-65 (Sohn, Vater u. Großvater gleichen Namens werden in einem amtlichen Dokument erwähnt)
5.Johann THIEL, gestorben zwischen 1696-99 (Schwiegersohn des Albrecht v.Bergen)
6.interimistisch Johann SANTRAU als 2. Ehemann der Catharina Agnes v.Bergen bis 1732
7.Friedrich Siegmund THIEL, 1693 – 1780 (Sohn des Johann THIEL) Friedrich Siegmund THIEL hat 4 Söhne. Es ist zeitweise nicht ganz klar, wer von ihnen die Nachfolge übernommen hat. Möglich erscheinen :
8.Carl Gottlieb THIEL 1745 – 1808
9.(und/mit Daniel Reinhold THIEL * 1751- ?, er taucht aber nach dem Tod seiner Ehefrau Helena Dorothea PETERSON 1767-1800 nicht mehr im Kirchspiel Caymen auf)
10.Carl Gottlieb THIEL *1778, Sohn von Carl Gottlieb THIEL sen.
Von Carl Gottlieb Thiel jun. sind nur noch 2 Töchter *1810 und *1813 bekannt. Mehr ließ sich noch nicht im KB Caymen finden. Der Fortgang der Besitzerfolge ist noch unklar.
Zur Ortschaft Wilditten siehe auch den Aufsatz über die Familie v.Bergen.
Wie immer freue ich mich über Nachfragen und Kommentare zu allen hier genannten Familien und Sachverhalten.
Labels: Albrecht von Bergen, Behrend, Caymen, Duhm, Familienforschung, Genealogie, Hennig, Mühlen, Müller, Ostpreussen, Santrau, Thiel, Wilditten
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