Genealogische Notizen

Familienforschung kann spannend sein wie ein Kriminalroman. Wir möchten Euch teilhaben lassen an den aufregenden Geschichten, die wir in Kirchenbüchern und Archiven ausgraben. Taucht ein mit uns in vergangene Epochen und rätselhafte Verwicklungen, historische Lebensumstände und die Geschichte einer Region, die es heute so nicht mehr gibt: das frühere Ostpreußen.

Samstag, 10. Dezember 2011

Eine langwierige Erbgeschichte und ein prußischer Familienhintergrund: SUPPLIETH

Eigentlich habe ich immer gedacht, in unserer Familie kann es keine komplizierten Erbauseinandersetzungen geben. Sämtliche Verwandtschaftslinien haben 1945 im Zuge der Kriegsfolgen ihr Vermögen verloren. Die bescheidenen und recht übersichtlichen Besitzverhältnisse der überlebenden Familienmitglieder würden wohl keine Grundlage entstehen lassen, auf der es zu nennenswerten Erbfällen kommt - dachte ich.

Waltraud Supplieth  2009
Im Sommer 2009 stirbt eine Cousine meiner Mutter hochbetagt in ihrer Wohnung in Kiel: verwitwet, kinderlos, kein Testament. Die Behörden der Stadt Kiel versiegeln die Wohnung. Eine Bekannte der Verstorbenen weiß von der Existenz meiner Mutter, kennt jedoch nur den Vornamen, weiß aber, wo die Telefonnummer und Adresse in der Wohnung der Verstorbenen zu finden wäre. Es dauerte Wochen, bis es ihr gelingt, unter Aufsicht in die Wohnung gelassen zu werden, die Verbindungsdaten herauszusuchen und über den Todesfall zu berichten. Meine Mutter hat sich bereits große Sorgen gemacht um ihre Cousine, die sie telefonisch nicht mehr erreicht hat. Als nun endlich die Nachricht an meine Mutter gelangt, hatte die Stadt Kiel die Verstorbene schon lange beerdigt und man ist ganz überrascht, daß es doch Verwandte von dieser alleinstehenden alten Dame gibt. Das Ordnungsamt verweist meine Mutter an das Nachlassgericht, um ihre Ansprüche anzumelden und die erforderlichen Schritte einleiten zu können.

Das Nachlassgericht Kiel reagiert zunächst auf kein Schreiben, der benannte Sachbearbeiter ist über Wochen telefonisch nicht erreichbar, in die für alle Nachbarn und sonstigen Hausbesucher offensichtlich unbewohnten Wohnung wird mit einem Nachschlüssel eingebrochen, die angebrachten Siegel sind verletzt, wie der nach über 2 Monaten endlich eingesetzte Nachlasspfleger feststellen muß. Dieser dubiose Umstand ist von der Polizei nicht aufgeklärt worden, obwohl konkrete Verdachtsmomente gegen eine frühere Putzfrau vorliegen.

Der Nachlasspfleger will die Mietwohnung räumen, um weitere Kosten zu vermeiden. Die nächsten Anverwandten werden befragt, ob sie Haushaltsgegenstände aus der Erbmasse herauskaufen wollen. Mir geht es im wesentlichen darum, die privaten Briefe, Fotoalben und sonstigen Papiere davor zu bewahren, daß sie durch einen Haushaltsauflöser entsorgt werden. Der Nachlasspfleger hat bereits die Wohnung nach Papieren durchsucht, die für eine Klärung von Erbschaftsansprüchen relevant sein könnten. Ich habe ihn darauf hingewiesen, daß die Erblasserin einen Ahnenpass besessen hat, aus dem wichtige Familiendaten zu entnehmen seien. Von diesem Ahnenpass hatte ich schon vor über 25 Jahren auszugsweise Kopien gemacht. Das sind damals meine ersten Schritte auf dem Wege gewesen, die Familiengeschichte zu erschließen. Der alte Ahnenpaß wird (wieder-)gefunden.

Ein weit ins 19. Jh. hineinreichender familiärer Hintergrund der Verstorbenen wird im Verlauf der Aufklärung dieses Erbfalls besonders bedeutsam:
Die Verstorbene:
Waltraud, geb. SUPPLIETH, geboren 1918 in Pobethen im Samland/Ostpreußen, verstorben Juni 2009 in Kiel.
Ihre Mutter, meine Großtante:
Käte MÜLLER, verwitwete SUPPLIETH, geb. SCHWEICHLER
*1892 in Stombeck, Kreis Königsberg/Ostpreussen; † 1988 in Kiel

Horst L. Müller   1945
Der erste Mann meiner Großtante und Vater der Erblasserin, Erich SUPPLIETH, ist 1918 als Soldat in Frankreich gefallen. Erich SUPPLIETH war Gärtnereibesitzer in Pobethen. Käte betrieb die Gärtnerei weiter als Witwe, heiratete 1926 ihren langjährigen Gärtnereigehilfen Alfred Müller. Aus dieser Ehe entstammte ein Sohn, Horst Lothar MÜLLER, *1927 in Pobethen. Er ist jedoch seit 1944-45 als junger Soldat im Krieg verschollen. 1937 verkauft Käte mit ihrem 2. Ehemann die Gärtnerei in Pobethen. Für den Erlös erwirbt die Familie ein Mietshaus in Königsberg-Ponarth, in der Brandenburger Str. 71. Man lebt von den Mieteinnahmen. Waltraud erhält als Kind aus 1. Ehe zur finanziellen Absicherung ihres Anteils des Familienvermögens ein Sommerhaus in Georgenswalde. Georgenswalde ist ein idyllischer Badeort an der spektakulären nördlichen Samlandküste: 40 – 60 Meter hohe, bewaldete Steilküsten, endlose Strände, ein ruhiges Hinterland. Sie bewirtschaftet diese Villa in den Sommermonaten als Ferienpension für Urlaubsgäste. In den Kriegsjahren muß Waltraud Dienst als Schwesternhelferin leisten. Waltraud SUPPLIETH gelingt mit ihrer Mutter die Flucht nach Westen auf einem Schiff. Unter unvorstellbar dramatischen Umständen kommt man knapp mit dem Leben davon und gelangt nach Kiel.

Vor diesem Hintergrund stellt nun das Nachlassgericht Fragen:
  • Was wurde aus aus dem Halbbruder der Verstorbenen, Horst Lothar MÜLLER?
  • Gibt es Abkömmlinge aus Geschwisterlinien des gefallenen Vaters der Erblasserin?
  • Wie können die Abkömmlinge aus Geschwisterlinien der Mutter der Erblasserin ihre Erbberechtigung nachweisen (keine Urkunden mehr vorhanden!)?
Solange diese Fragen nicht ordentlich durch Vorlage amtlicher Unterlagen beantwortet werden können, kann kein Erbschein erteilt werden.

Wie und wo findet man heute, nach so langer Zeit, Antworten auf solche Fragen? Wie beweist man Verwandtschaften, wenn keine amtlichen Papiere darüber erhalten geblieben sind und nach Lage der Dinge von keiner Behörde ausgefertigt werden können? Wie ermittelt man unbekannte Verwandte ohne amtliche Quellen?

Nun komme ich als Familienhistoriker und Genealoge ins Spiel. Der Nachlasspfleger hat die Idee, daß ich mich hinsichtlich der Recherche der unbekannten SUPPLIETH-Erben beim Nachlassgericht als Erbenermittler bewerben könnte. Im Januar 2010 entscheidet das Nachlassgericht auf meine Bewerbung, daß ich nicht als Erbenermittler auf Honorarbasis zugelassen werden kann, weil ich über meine Mutter mittelbar Betroffener bin.

Der Nachlasspfleger weist darauf hin, daß mit einem ziemlich langen Verfahren zu rechnen sei, wenn zur Auffindung von möglichen SUPPLIETH-Nachkommen der darauf entfallende Erbanteil öffentlich ausgeschrieben werden müsse, damit dann professionelle Erbenermittler auf die Suche gehen können. Vielleicht gelänge es mir ja doch, wichtige Ergebnisse zu ermitteln, zwar ohne Honorar für mich, aber doch mit der Aussicht auf eine schnellere Abwicklung der Erbgeschichte.

Meine Mutter ist zwischenzeitlich völlig entmutigt und möchte beinahe allen Erbschaftsansprüchen entsagen, weil das Wühlen in der Vergangenheit alte Wunden aufreißt und die Nachweisprobleme unübersehbar werden. Wie soll man gegenüber einem Gericht heute die familiäre Abstammung belegen, wenn durch die Kriegsfolgen, durch jahrelange Zwangsarbeit im russisch besetzten Ostpreußen sämtliche eigenen amtlichen Papiere verloren gegangen sind? Was macht man, wenn alle in Frage kommenden staatlichen Standesamtsunterlagen und Kirchenbücher aus der Zeit von 1874 bis 1945 vernichtet wurden? Wie belegt man die eigenen Existenz und Abstammung, wenn keine deutsche Behörde ein diesbezügliches Papier ausstellen kann bzw. nur bescheinigt, daß die persönlichen Daten aufgrund eidesstattlicher Versicherung aufgenommen wurden? An die eigene, amtlicherseits irritirend fragile Existenz erinnert zu werden, schmerzt und rührt an tiefer liegenden, noch unangenehmeren Erinnerungsschichten, die man jahrzehntelang erfolgreich mit viel Arbeit zu verdrängen vermochte.

Ich mache mich an die Arbeit:
Es gibt noch lebende Zeitzeugen, die bei einem Notar eidesstattlich versichern können, daß mein Großvater mehrere Schwestern hatte, darunter die Mutter der Erblasserin. Auf gleiche Weise gelingt es nachzuweisen, daß die heute erbberechtigten Cousinen der Erblasserin tatsächlich Kinder jener nunmehr eidesstattlich versicherten Geschwister der Mutter der Erblasserin sind. Alle Beteiligten sind heute hochbetagt um die 80 Jahre alt oder älter. Alle zu klärenden Anliegen müssen entsprechend sorgfältig vorbereitet und aufwändig betreut werden. Alles ist etwas umständlich und mühsam, aber zu bewältigen.

Parallel zu den oben genannten Bemühungen nehme ich Kontakt auf zu der „Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht“, kurz WASt genannt. Der verschollene Halbbruder der Erblasserin wäre, wenn er noch lebte, ein vorrangiger Erbe. Cousinen und Cousins sind in der gesetzlichen Erbfolge nachrangiger. Daher ist es entscheidend, über den Verbleib des Horst Lothar Müller eine klare amtliche Aussage zu erhalten. Die WASt teilt nach ca. 3 Monaten mit, daß sie Fragen über diesen Mann Mangels Unterlagen nicht beantworten kann (www.dd-wast.de).

Im November 2009 wird der Haushalt der Verstorbenen aufgelöst. In enger Abstimmung mit dem Nachlasspfleger gelingt es, die Papiere und Fotoalben zu erhalten. Ich muß versichern, daß ich allen interessierten Erben den Zugang dazu ermöglichen werde. Zwischen den Papieren finde ich noch Originalunterlagen aus den frühen 1950er Jahren über die vergeblichen Nachforschungsversuche nach dem verschollenen Horst L. MÜLLER: unter anderem ein kurioses Antwortschreiben des Polnischen Roten Kreuzes in der Britischen Zone; Organisationen der polnischen Exilregierung in London existieren unter dem Schutz der Briten nach 1945 offenbar noch weiter.   Außerdem finde ich Hinweise auf SUPPLIETH-Geschwister, Geschwister des 1918 gefallenen Vaters.

Der Familienname SUPPLIETH ist äußerst selten in Deutschland. Das aktuelle Telefonbuch nennt knapp 30 Einträge dieses Namens deutschlandweit. Ich telefoniere etwa die Hälfte dieser Namensträger ab. Ich kann keine Verwandtschaft zu erbberechtigen Familienmitgliedern ermitteln. Bei genauerem Studium der ererbten Papiere finde ich zwischen alten Durchschriften von Lastenausgleichsanträgen aus den 1950er Jahren auch Hinweise auf ein Erbverfahren, in dem es um Wertpapiere eines ebenfalls 1945 verschollenen Walter SUPPLIETH geht. Walter war ein Bruder des Erich, mithin ein Onkel der Erblasserin. Dieser Onkel war Lehrer in Königsberg und Besitzer von Wertpapieren, die auch nach 1945 noch werthaltig waren. Die Erblasserin war damals erbberechtigt neben anderen benannten Verwandten. Und diese benannten Verwandten waren eine Cousine und ein Cousin aus der SUPPLIETH-Linie.

Ich schreibe an Meldebehörden, werde an Stadtarchive weitergeleitet und erfahre folgendes: der SUPPLIETH-Cousin ist kinderlos und verwitwet schon vor etlichen Jahren in Stendal verstorben. Die SUPPLIETH-Cousine lebte in Gelsenkirchen, verstarb 1984 und hinterließ zwei Söhne mit Namen WITTENBERG. Es gelingt, einen davon in Dortmund lebend aufzuspüren.

Im Frühjahr 2010 versuche ich, erstmals telefonisch Kontakt aufzunehmen, um zu überprüfen, ob es sich um die richtige Person handelt. Wie beginnt man so ein Gespräch? Hallo, ich will mal eben wissen, wer Ihre Eltern und Großeltern waren, möglicherweise haben Sie was geerbt...? Klingt nach einer primitiven Telefonabzocke. Ich habe mein Anliegen wohl überzeugend dargestellen können. Man bestätigt bereitwillig und erfreut meine Vermutung. Ich habe einen Erbberechtigten gefunden. Damit erschließt sich auch der Zugang zu den anderen Erben aus dem Familienzweig mit einem Anrecht auf insgesamt 50 % des Nachlasses.

Im November 2010 scheint die schwierige Nachweisfrage mit sehr viel Papier, mit vielen Beglaubigungsstempeln und notariellen Bestätigungen amtlich befriedigend beantwortet. Wir werden beim Nachlassgericht vorstellig, um einen Erbschein zu beantragen. Es wird stundenlang und peinlichst genau jedes einzelne Verwandtschaftsverhältnis überprüft. Wo ist z.B. ein Bruder meiner Mutter geblieben, der in dieser Erbgeschichte auch erbberechtigt wäre? Meine Mutter hat ihn im August 1947 im russisch besetzten Ostpreussen beerdigt. Warum gibt es darüber keine ordentlichen Papiere? Weil der tote Bruder nahezu mit bloßen Händen in Schaaken verscharrt werden mußte. Niemand hat davon Notiz genommen. Es starben sehr viele Deutsche in dieser Zeit. Keiner hat sie gezählt oder erfaßt. Die sowjetischen Sieger behandelten die eroberten Deutschen nicht sonderlich pfleglich. Tote wurden einkalkuliert, waren teilweise auch beabsichtigt. Erinnerungslast steigt ins Bewußtsein, verdrängte Trauer und Fassungslosigkeit über die hilflos erscheinenden Erklärungsversuche vor einem korrekten Sachbearbeiter. Noch eine eidesstattliche Versicherung wird nötig.

Wegen des verschollenen Halbbruders der Erblasserin genügt keine eidesstattliche Versicherung. Er muß amtlicherseits für tot erklärt werden. Das ist ein langwieriges gerichtliches Verfahren, geregelt nach Verschollenheitsänderungsgesetz von 1951. Meine Mutter stellt im November 2010 beim Amtsgericht Oldenburg den entsprechenden Antrag. Im Juli 2011 ergeht ein gerichtlicher Beschluß über die Todeserklärung, der im September 2011 rechtskräftig wird. Nun endlich kann der Erbschein beantragt werden. Ein neuer Termin, erneute peinlich genaue Prüfung sämtlicher Urkunden und Verwandtschaftsverhältnisse – keine Beanstandungen. Ende Oktober 2011 gibt das Nachlassgericht Kiel den lang erwarteten Erbschein aus. Meiner Mutter steht nach gesetzlich geregelter Erbfolge ein Achtel vom Gesamterbe zu.

Der Erbschein und weitere beglaubigte Kopien von Personaldokumenten müssen bei der kontoführenden Bank der Erblasserin vorgelegt werden. Die Bank verweigert die Auszahlung und besteht auf Kündigungsfristen der dort hinterlegten Nachlasssumme. Erst voraussichtlich Ende Februar 2012 werden die Erbanteile an die Erbberechtigten ausgezahlt werden können. Ich hoffe, daß die betagten Erbberechtigten weiterhin gesund bleiben. Die Erfahrungen dieser Erbgeschichte sollte alle noch lebenden alten Ostpreußen und deren Verwandte motivieren, für ein ordentliches Testament zu sorgen, um den möglichen Erben aufwändige und kostspielige Nachweisbeschaffungen und Jahre dauernde, mühsame Verfahren zu ersparen.

Was hat es nun mit diesem merkwürdigen Namen SUPPLIETH auf sich? Ich habe nie danach besonders gesucht, aber die SUPPLIETHs auf SUPPLIETHEN sind mir gelegentlich bei meinen Recherchen im Berliner Staatsarchiv begegnet. So bin ich neugierig geworden auf diese Familie:

Die bisher älteste Kunde gibt eine Besitzbestätigung des Ordens im Jahre 1410 für Hanicke zu Sapolitten. In dieser Urkunde wird bestätigt, daß der Pruße Hanicke 3 Besitzbriefe vorweist, die er in eine Urkunde zusammengefaßt haben möchte. Ein Brief lautet über 3 Haken und ist ausgestellt vom Obersten Marschalck des Ordens Seyfried von Danefeld. Der nächste über 2 Haken ist ausgestellt vom Obersten Marschalck Ulrich von Jungingen und der 3. Brief über 3 Morgen ist unterzeichnet von Johan von Urich Landvogt zu Samland. Alle 3 Besitzbriefe hat Hanicke (zu seinem bestehenden Besitz Sapolitten wahrscheinlich hinzu-) erworben. In Anerkennung seiner getreuen Dienste wird seine vorgetragene Bitte gewährt. In der Schlußformel heißt es:Zu ewigen Gedächtniß undt Besezung dieser Dingen hab[en] Wir unser Insigel an diesen Brieff laßen hengen der da gegeben ist uff dem Hause Königsbergk nach der Jahr Zahl unsers Herrn vierzehen Hundert undt danach im Zehenden Jahr, den Freytag nach Epiphanie, des seindt gezeuge unser viel lieber Bruder, Bruder Friedrich Schotte Hauß Kumptur zu Königsbergk, Bruder Albrecht Graff von ..lemunde, Bruder Dietterich unser Capplan, Conradt Steinheimer unser Compan undt viel Erbar Leuthe." Das Datum Freitag nach Epiphanie müßte im Jahre 1410 umgerechnet dem 7.Januar entsprechen. Die Urkunde wurde also noch vor der desatrösen Schicksalsschlacht bei Tannenberg/Grunwald ausgestellt, in der so viele Ordensleute umkamen. Die Abschrift ist mit der Überschrift „Hanß und Melchior Supplit Handtveste“ versehen. Die angegebenen Flächengrößen entsprechen nach heutigem Maß insgesamt etwa 50 Hektar.

Die nächste Kunde über diese Familie liegt aus dem Jahre 1520 vor: 
        >>Trotz der scheinbar guten Verhältnisse zum Orden hatte sich, wie aus einem Vorkommnis des Jahres 1520 hervorgeht, der alte Glaube gerade im Pobethenschen besonders stark erhalten. In diesem Jahre, während des Krieges zwischen dem Orden und Polen, befürchtete Hochmeister Albrecht eine Landung der letzteren an der samländischen Küste. Der in Pobethen ansässige Valtin Supplit, ein preußischer Freier, der aber noch für einen geheimen Waideler, einen Priester der altpreußischen Religion, gehalten wurde, ließ dem Hochmeister mitteilen, daß er wohl ein Mittel zur Beruhigung der geängstigten Bewohner besäße, worauf ihn dieser auch gewähren ließ.
        Im Beisein aller Einwohner opferte nun Supplieth am Rantauer Ufer einen schwarzen Bullen, worauf sich der Sage nach das Ufer derartig im Aussehen veränderte, daß die zu Polen haltenden Danziger Schiffe nicht zu landen wagten. Auf dieses Wunder hin wurde Supplieth hoch verehrt, leider blieben aber durch diese Opferung auch die Fische dem Strande fern, so daß die Boote fünf bis sechs Meilen weit in die See fahren mußten, wozu aber viele nicht den Mut hatten, da eine Anzahl bei dem Wagnis ertranken.
        Die Klagen über das Fernbleiben der Fische kamen auch zu Supplieth, der ein Versehen darin zugab, daß er bei seiner Opferung alles vom Lande gewiesen habe und dabei die Fische nicht ausgenommen habe: diese würden aber durch ein neues Opfer wiederkommen.
        Über diese Opferung berichtet Hennenberg in drastischer Weise:
        Es hat onser lieber fromer Gott ein zeitlang Fische in fülle bescheret / was theten aber gottlose ondanckbare Buben: Henckten die Fische mit den schwentze auff / steupten sie / sprechende: sie solten so bald nicht wider kommen. Was geschicht: Gott entzeucht ihnen seinen gnedigen Segen nicht onbillich / das sie der Fische wenig genug fingen / derhalben hetten sie den Segen Gottes gern widerumb gehabt / suchen ihn aber nicht recht / Sondern es schlagen sich sechs Dörffer im Pobetischen Kirchspiel zuhauff / ond wehlen anno 1531 einen Worsskaite / nach alter Preußscher gewonheit / keuffen zwolff tonnen Bier / nemen eine fette Saw / darüber der Worsskaite etzliche Abgöttische Gebete thut / ihre Abgötter anrufent / ihnen wider glück zugeben / darnach schlachtet er die Saw / in beisein des Volckes / beyderley Geschlechts / solcher sechs Dörffer / brattens / fressen / sauffen / bis in den siebenden tag. Das Eingeweide / knochen / ond was sonsten obrig / verbrannten sie mit Fewer.
        Auf Geheiß des Bischof von Polentz und des Vogtes von Drahe in Schaaken mußten alle an dem Opfer anwesenden Männer - es waren ihrer dreiundsiebzig aus acht Dörfern - in Pobethen Buße tun. Zu diesem Zweck mußten sie sich halb angekleidet in dder Pobethener Kirche einfinden, wo ihnen der preußisch redende Pfarrer aus Legitten das verderbliche ihrer heidnischen Gebräuche vorhielt; darnach erhielt Supplieth von jedem seiner Genossen zwei Rutenstreiche. Noch ein Jahr mußten sie jeden Sonntag vor dem Altar stehen und fleißig den Strafpredigten zuhören. Diese Strafausführungen waren im ganzen Samland bekannt geworden, und um sie anzusehen, strömten von überall Leute herbei, so daß noch weitere Pfarrer im Freien predigen mußten. << (Quelle: Das westliche Samland, Oscar Schlicht, Dresden 1922)

Aus dem Jahr 1685 liegt eine inhaltsreiche Akte vor, die von Melchior Supplitt aus Supplitten berichtet, der mit seinem alten Vater (dem oben genannten Kirchenvorsteher Melchior Supplitt), mit dem Amtmann und der ganzen Nachbarschaft permanent im Streit liegt. Jahrelang brechen immer wieder Konflikte und Zwischenfälle aus, in denen sich nur Melchior SUPPLIETH immer wieder ungerecht behandelt sieht und er gelegentlich mit völlig überzogenen Maßnahmen zur Selbstjustiz greift. Dadurch eskalieren die Auseinandersetzungen und der Amtmann muß regulierend eingreifen. Es scheint, daß sich die ganze Welt gegen Melchior Supllitt junior verschworen hätte und er mit der ganzen Welt in ständiger Auseinandersetzung lebte - ein Alptraum für die Nachbarn, für die Behörden und Gerichte, die mit seinen Klagen überschüttet werden. Man nimmt ihn wohl nicht wirklich ernst, glaubt dem notorischen Querulanten nicht mehr und läßt seine Klagen länger unbearbeitet liegen, was diesen zu immer heftigeren Vorwürfen gegen die herrschaftlichen Amtsträger herausfordert. Am 2. und 3. August kommt es zu einem Ortstermin im Amt Grünhoff. Der dortige Amtmann muß sich verantworten vor den angereisten hohen Commissarii aus Königsberg, die die eskalierten Rechtshändel untersuchen und ein für alle Mal regeln sollen. In einem folgenden Beitrag werde ich die interessanten Akten im Wortlaut wiedergeben. Alles in allem ein Beispiel für eine vorbildlich reagierende preußische Justiz: korrekt und mit nahezu psychologischem Feingefühl begegnet man dem prußischen Kohlhaas, obwohl die Geduld der Beteiligten durch jenen Supplitt bis zum Äußersten strapaziert wird. Siehe auch : http://genealogischenotizen.blogspot.de/2011/12/klagen-des-melchior-supplieth-aus.html

In den sogn. Praestations-Tabellen (Steuerlisten) werden folgende Besitzer auf Suppliethen geführt:

1766  Friedrich SUPPLIETH 3 Hufen 6 Morgen 150 Quadratruthen
          George SUPPLIETH  3 Hufen 6 Morgen 150 Quadratruthen
          (zusammen ca. 105 Hektar)

1773  Friedrich u. George SUPPLIETH (Besitzgröße wie oben)
1778  wird Suppliethen so beschrieben:
Die cöl[lmischen] Einsaaßen der Dorfschaft Suppliethen geben ad protocollum, wie sie in der totalitaet 6 Huben 13 Morgen Land besäßen, von welchem drey Huben 13 Morgen in seinen apparten Grentzen und 3 Huben in den Grentzen der Dorfschaft Woythnicken lägen. Von diesem Lande zahlten jeder der zwey Frey Einsaaßen 2rthlr 25g 12½ s, wie solches in der angeschloßenen Praest.Tabelle näher nachgewiesen.
        Sind verpflichtet, zum Schloße, dem Amtshause, dem MertzKeller und dem Brauhause alle Baumaterialien conjunctim mit den anderen Freyen anzufahren, wozu beide eine Fuhre zusammen spannen, auch Handlanger zu stellen; Kirchen und Schulen Onera zu praestiren.
        Die Einwohner sind verpflichtet in der cöllmischen Pobethenschen Mühle zu mahlen, wovor Eigenthümer derselben einen Canonem an das Amt zahlet.
        Sie gehören zur Pobethenschen Kirche und zur Perteltnickenschen Schule.
Ein Radmacher Gottlieb Hübner, welcher unter denen Instleuten aufgeführet, hat Erlaubniß bis zum Absterben sein Gewerbe zu treiben, zahlet Schutzgeld an das Amt und Nahrungsgeld an die Accisecasse.

1778  sind die oben genannten Eigenthümer verstorben. Die Witwen führen den Hof weiter:
          Friedrich Supplieth Wittwe und George Supplieth Wittwe.
Auf dem Hof leben folgende Instleute: Melchior Roesnick, Gottlieb Hübner, Friedrich Ziegler bei der Wittwe Friedrich Supplieth. Johann Liedtcke, George Schwoebbe werden als Hirten beschäftigt.

1784  Samuel Gottlieb und Johann Ernst SUPPLIETH sind Besitznachfolger auf Suppliethen.
In den 1820er Jahren ist Suppliethen im Besitz von Samuel Gottlieb SUPPLIETH allein. Dieser besitzt noch weitere zugekaufte Flächen in der Nachbarschaft.

Um 1835 gerät Suppliethen in andere Hände. Ich vermute, daß es nach dem Tod des alten Samuel Gottlieb SUPPLIETH im Jahre 1828 im Zuge von Erbschaft und Teilung nach über 500 Jahren zum Verkauf des Familienbesitzes kam.

Die Namensträger leben hauptsächlich im mittleren westlichen Samland, in und um Pobethen. Siehe auch Adressbuch des Kreises Fischhausen von 1922: http://adressbuecher.genealogy.net/addressbook/547465e41e6272f5d04abf3c?offset=3150&start=S&max=25

Suppliethen: im Güteradressbuch von 1897 ist das Gut mit 197 Hektar eingetragen und liegt etwa 3 km südlich des Kirchdorfes Pobethen, etwa 20 km nordwestlich von Königsberg.

Mir liegen viele noch unveröffentlichte Daten zur Familie SUPPLIETH vor. Alle heutigen Namensträger sind wahrscheinlich auf die alte prußische Familie SUPPLIETH aus SUPPLIETHEN zurückzuführen. Gern beantworte ich Fragen und freue mich über Hinweise und Ergänzungen.

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1 Kommentare:

Blogger Unknown meinte...

Lieber Herr Haupt, was für ein Wahnsinnsartikel!!! Hut ab vor Ihrer Arbeit! Ich bin komplett erschlagen, wieviel Mühe Sie sich in diesem Fall gegeben haben.

Herzliche Grüße aus dem schönen Flensburg

Ihr

Frank Steinau

3. April 2020 um 14:37  

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